Essen. . Auf dem Landespartei der Linken in Essen gab es eine satte Mehrheit für den Leitantrag. Hinter der Fassade brodelt es - Unmut über die Landesliste, Finanzsituation und Bezüge des Ex-Landesvorstandes. Kontroversen zwischen den Parteiströmungen werden offenbar über den Landesparteitag hinaus anhalten.
Eigentlich war da so etwas wie Aufbruchstimmung beim Landesparteitag der Linken in der Messe in Essen. Die Delegierten feierten ihren Bundesvorsitzenden Bernd Riexinger, der eine für einen Schwaben recht flammende Rede hielt, und sie feierten ihre Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl, Sahra Wagenknecht.
Sie schmetterten gemeinsam Parolen („Alerta, alerta, antifascista“ oder „Hoch die internationale Solidarität“) und verabschiedeten mit satter Mehrheit den für NRW-Verhältnisse moderat formulieren Leitantrag, der sich nicht wesentlich von der Wahlkampfstrategie der Bundespartei unterscheidet. Kurzum: Es schien, als habe die NRW-Linke den Frust nach dem Rauswurf aus dem Landtag verdaut und mache sich nun wacker auf in den anstehenden Bundestagswahlkampf. Tatsächlich aber brodelt es unter der Oberfläche. Die Kontroversen zwischen den einzelnen Strömungen dauern an.
Einseitige Zusammensetzung
Für Unmut sorgt etwa die einseitige Zusammensetzung der Landesliste, also der Liste der Kandidaten, die mit Hilfe von Zweitstimmen in den Bundestag einziehen sollen. Dort finden sich auf den aussichtsreichen Positionen vor allem Vertreter der Antikapitalistischen Linken (AKL), einem Strömungsflügel der Partei, der dezidiert für einen Systemwechsel weg vom Kapitalismus eintritt. Dagegen tauchen unter den ersten zehn Plätzen lediglich zwei Vertreter der moderateren Sozialistischen Linken (SL) auf. Strömungsunabhängige Kandidaten fehlen auf der Landesliste gänzlich.
Leidtragende der Wahlen vom vergangenen Samstag sind unter anderen die Co-Landesvorsitzende Gunhild Böth und die Bundestagsabgeordnete Ingrid Remmers. Böth musste sich bei der Abstimmung der Bundestagsabgeordneten Ingrid Höger geschlagen geben.
In anderen Parteien würde das wohl als Indiz gewertet, dass das Vertrauen in die Vorsitzende nicht sonderlich ausgeprägt und sie politisch beschädigt ist. Nicht so bei der NRW-Linken. Die Delegierten hätten Böth eben „lieber in NRW und nicht in Berlin politisch aktiv“, sagte der Co-Vorsitzende Rüdiger Sagel der WAZ Mediengruppe.
Gewählt wurden vor allem bekannte Köpfe
Remmers wiederum, eine prominente Vertreterin der SL, landete abgeschlagen auf Listenplatz 19 und hat damit keine Chance, wieder in den Bundestag einzuziehen. „Ich hätte mir gewünscht, dass wir in der Liste breiter aufgestellt wären“, sagte sie. Denn „wir wollen ja breitere Wählerschichten ansprechen – das wird jetzt schwieriger“.
Gewählt wurden in Essen vor allem bekannte Köpfe – neben Wagenknecht beispielsweise Ulla Jelpke, Andrej Hunko oder Sevim Dagdelen, die allesamt durch rege Öffentlichkeitsarbeit auf sich aufmerksam machen.
Furcht vor "linker Funktionselite"
Deswegen wächst an der Basis die Befürchtung, dass sich allmählich eine „linke Funktionselite“ herausbildet; etwas, das mit dem Selbstverständnis vieler West-Linker schwer vereinbar ist.
Und dann ist da noch die Finanzsituation des Landesverbandes. Die sieht nicht sonderlich rosig aus. Zum einen rennen den Linken in NRW die Mitglieder weg: Waren es zu Hochzeiten gut 8800, sind es aktuell noch etwa 7000. Zum anderen sind die Einnahmen weggebrochen, die über die Landtagsfraktion an den Landesverband flossen; das waren etwa 100 000 Euro im Jahr. Jetzt ist der Landesverband so knapp bei Kasse, dass er die Kreisverbände anzapfen muss.
Diejenigen, die über größere Rücklagen verfügen, haben sich verpflichtet, ein halbes Jahr auf den ihnen zustehenden Anteil an den Mitgliederbeiträgen zu verzichten.
„Keine Auskunft über Bezüge“
Auf interne Kritik stößt aber, dass der frühere vierköpfige Landesvorstand um Hubertus Zdebel und Katharina Schwabedissen nach seinem turnusgemäßen Ausscheiden Mitte vergangenen Jahres ein Übergangsgeld von insgesamt 40 000 Euro erhalten haben soll. Ein Betrag, den Rüdiger Sagel nicht bestätigen will. „Grundsätzlich geben wir über die Bezüge keine Auskünfte. Nur so viel: Wir bezahlen nach Tarif.“
Der neue Landesvorstand arbeitet wegen der desolaten Finanzsituation jedenfalls wieder ehrenamtlich.