München. . In den zentralen Fragen zur potenziellen atomaren Bedrohung durch den Iran und zum Syrien-Konflikt gab es auf der Münchner Sicherheitskonferenz keinen Konsens zwischen Ost und West. Ein Ende des Bürgerkriegs in Syrien rückt in weite Ferne. USA und Europa beschwören indes ihre transatlantische Partnerschaft.
So, als wäre es inszeniert worden: Als der rund 40 Wagen starke Konvoi des amerikanischen Vizepräsidenten vor dem hermetisch abgeriegelten Bayerischen Hof vorfährt, kehrt der Winter nach München zurück. Im dichten Schneetreiben schreitet Joe Biden die wenigen Meter in das noble Tagungshotel der 49. Sicherheitskonferenz hinein, um wenig später mit warmen Worten an seine europäischen Partner der nass-kalten Wetter-Atmosphäre zu trotzen.
Da ist dann wieder die Rede von der unverbrüchlichen transatlantischen Partnerschaft zwischen Europa und den Vereinigten Staaten, die sich ausdrücklich auch auf die gemeinsame Bekämpfung der Wirtschaftskrise beiderseits des Meeres bezieht und den Appell für ein amerikanisch-europäisches Handelsvorgehen im chinesisch-pazifischen Raum einschließt.
Streicheleinheiten für den russischen Außenminister
Auch für den knorrigen russischen Außenminister Sergeji Lawrow gibt es Streicheleinheiten vom früheren Senator aus Delaware und schöne Grüße vom Chef, von Barack Obama. Joe Biden, der schon vier Jahren als erster offizieller Vertreter der damals neu gewählten US-Regierung auf der Sicherheitskonferenz war, lobt den Neustart in den Beziehungen der beiden Supermächte (vor allem bei der nuklearen Abrüstung und der gemeinsamen Arbeit in der Welthandelsorganisation WTO) fast schon überschwänglich, spart aber auch die Dissens-Positionen etwa bei der von seinem Land forcierten europäischen Raketenabwehr auf polnischen und tschechischem Boden nicht aus. Und kommt dann endlich doch noch auf die zentralen Themen der Münchner Tagung zu sprechen: Auf den Bürgerkrieg in Syrien und der möglichen atomaren Bedrohung durch den Iran.
Bei diesen weltpolitischen hochbrisanten Auseinandersetzungen ist auch für den jovialen US-Vize Schluss mit lustig. „Wir haben den Ball jetzt nach Teheran gespielt, das Tor für direkte Gespräche mit der iranischen Führung ist geöffnet. Jetzt muss die andere Seite aber auch handeln. Und zwar schnell“.
Gesprächsangebote an den Iran
Dass die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) erst vor wenigen Tagen erklärte, der Iran wolle die Uran-Anreicherung in der Atomanlage Natans beschleunigen und modernere Zentrifugen dafür einsetzen, hindert Joe Biden nicht daran, die Gesprächsbereitschaft mit dem Mullah-Regime aufrecht zu halten: „Wenn der Iran mit uns und den Europäern sprechen will, sind wir zur Stelle. Mit reizvollen Angeboten für die künftige Zusammenarbeit“.
Unterstützt wird Biden in seiner Iran-Position von Deutschlands Außenminister Guido Westerwelle: 2013 sei das letzte Jahr, um den Konflikt um das iranische Atomprogramm zu beenden.
Für Russland geht es um milliardenschwere Interessen
Das unbewegliche Gesicht des russischen Chefdiplomaten Lawrow bleibt den Konferenz-Teilnehmern bei diesen Worten natürlich nicht verborgen. Schließlich geht es für den Putin-Staat in den Beziehungen zu Teheran um milliardenschwere Wirtschaftsinteressen. So reichern sie für den Iran Uran an – außerhalb des Landes. Und auch beim Bau von Nuklear-Anlagen angeblich zur zivilen Nutzung sind die Russen wichtigster Geschäftspartner.
Zu einem direkten Aufeinandertreffen zwischen Israels Verteidigungsminister Ehud Barak und dem iranischen Außenminister Ali Akbar Salehi kommt es öffentlich zumindest nicht. Als Barak den Sitzungssaal verlässt, kommt der iranische Spitzendiplomat durch eine andere Tür hinein.
Israel macht seine Position deutlich
Zuvor hat der Israeli mit harschen Worten die Position seines Landes deutlich gemacht: „Die Sanktionen sind härter denn je, jetzt werden sogar Anreize des Westens in Aussicht gestellt. Doch der Iran wird sein Spiel nie aufgeben. Man braucht den starken Willen der Welt, um ihn an den Verhandlungstisch zu bringen“.
Wären israelische Angriffe auf Irans Atomanlagen eine Option, will ein französischer Diplomat wissen. Barak verzieht keine Miene und schweigt.
Blumige Worte von Salehi
Als Schweiger entpuppt sich Salehi nicht. In blumigen Worten preist der Mann die Jahrtausende alte Kultur und den Stolz seiner persischen Heimat um dann den von Biden gereichten Gesprächsfaden doch noch aufzunehmen: Bilaterale Gespräche zwischen beiden Staaten sind möglich. Doch: „Verhandlungen und gleichzeitig Sanktionen – das passt nicht zusammen“. Eine wirkliche Annäherung scheint damit weiter fraglich.
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Bei der verzweifelten Suche nach einem Ende im syrischen Bürgerkrieg, macht Russland – so der Eindruck in München – zurzeit zu. Obwohl immer und immer wieder auf den Konflikt angesprochen, kommt vom Außenminister kein Signal, sich erkennbar vom Assad-Regime zu distanzieren. Selbst auf die Frage, wo denn für Moskau die rote Linie für einen schon länger befürchteten Einsatz von Bio- und Chemiewaffen sei, lässt Lawrows Antwort frösteln: Solange diese Vernichtungswaffen von der Regierung kontrolliert würden und nicht in die Hände der Aufständischen fallen könnten, bleibe die Gefahr gering.
Russland bleibt bei Syrien-Veto
Putins Außenminister konnten dann wohl auch nicht die bewegenden Worte des UN-Sonderbeauftragten für Syrien, Lakhda Brahimi und von Vertretern der syrischen Exil-Regierung überzeugen, die in der ersten Nachtsitzung der Münchner Konferenz von ihrer Enttäuschung über die Haltung des UN-Sicherheitsrates keinen Hehl gemacht hatten. Schließlich verhindert Moskau mit seinem Veto bislang eine gemeinsame Resolution der Vereinten Nationen für stärkere Sanktionen gegen Diktator Assad.
Thomas de Maizière brachte die ganze Rat- und Hilflosigkeit des Westen später auf einen Punkt. „Was Syrien angeht, bin ich vollständig illusionslos. Das wird noch ein längerer Bürgerkrieg. Die militärische Lage im Land kann ich zudem überhaupt nicht einschätzen. Zwar wäre ein Eingreifen rechtlich und ethisch durchaus gerechtfertigt, aber politisch eben zur Zeit nicht“. Bittere Worte. Bittere Wahrheit.