Seoul. Für Südkorea ist es schon seit langem nur noch eine Frage der Zeit, wann Nordkorea den nächsten Atomtest unternimmt. Es gibt Indizien, dass der Test bald erfolgt. Doch wann genau, ist ungewiss. Trotz hoher Sanktionen will Nordkorea eine Atomstreitkraft als Abschreckung aufbauen.
Nordkorea hält mit seinen Drohungen erneut die Welt in Atem. Insbesondere die Ankündigung des kommunistischen Landes im Januar, neben weiteren Raketentests auch einen neuen Atomversuch zu unternehmen, ließ in der Region und darüber hinaus die Alarmsirenen heulen. Nordkorea protestierte damit gegen die Ausweitung von UN-Sanktionen wegen seines umstrittenen Raketenstarts im Dezember.
Atomtest könnte jederzeit erfolgen
Zuletzt gab es in Südkorea fast täglich Berichte über verstärkte Aktivitäten auf dem ausgedehnten Testgelände Punggye-ri in einem Bergmassiv im Nordosten des Nachbarlandes. Danach könnte der Test kurz bevorstehen. Doch weiß das außerhalb Pjöngjangs niemand genau.
Die Analyse von neuen Satellitenbildern vom 23. Januar zeigten, dass das "Gelände in einem ständigen Bereitschaftsstatus zu sein scheint", heißt es auf der Website "38 North" des US-Korea-Instituts an der Johns-Hopkins-Universität. Der Test könnte in wenigen Wochen oder sogar früher erfolgen, sobald die Führung in Pjöngjang den Befehl dazu erteile. Diese Einschätzung teilt auch die südkoreanische Regierung.
Am Freitag berichteten südkoreanische Medien, ein Tunneleingang in Punggye-ri sei mit einem großen "Tarnnetz" verdeckt worden. Die Testvorbereitungen sollen anscheinend vor äußeren Einblicken geschützt werden, wurde ein Geheimdienst-Informant zitiert. Gestützt werden die Spekulationen um einen kurz bevorstehenden Test von Berichten aus Nordkorea über "wichtige" Entscheidungen durch Nordkoreas jungen Machthaber Kim Jong Un.
Atomstreitkraft als Abschreckung
Doch war es für Südkorea ohnehin schon vor der Ankündigung Nordkoreas im Januar keine Frage mehr, ob, sondern nur noch, wann ein neuer Atomtest nach 2006 und 2009 erfolgt. Erklärtes Ziel Pjöngjangs ist es, eine Atomstreitkraft als Abschreckung aufzubauen. Dafür bedarf es Tests von Raketen und atomaren Sprengladungen.
Das verarmte, aber hochgerüstete Land scheint bereit, auch den politischen Preis dafür in Form von weiteren Sanktionen zu zahlen. "Das Regime geht davon aus, diese Härten aushalten zu können", meint Park Young Ho vom staatlichen Korea-Institut für Nationale Vereinigung in Seoul. Nordkorea nehme äußerste Risiken in Kauf. "Nordkorea glaubt, einen Vorteil gegenüber den USA erringen zu können."
Zweifelhafter Erfolg der ersten beiden Tests
Bei aller Kritik erhofft man sich von einem neuen Atomtest auch Aufschlüsse über den Fortschritt der nordkoreanischen Waffentechnik. "Es ist klar, dass es jetzt die Erwartung gibt, dass dieser Test (...) Daten hervorbringt, die wir nicht hatten", zitierte die "New York Times" den Direktor für Asien-Fragen im Nationalen Sicherheitsrat unter dem früheren US-Präsidenten George W. Bush, Michael Green. "Wir wissen viel über ihre Programme, doch nichts über den wichtigsten Teil: Wie weit sind sie vorangekommen?" Die Angaben Nordkoreas über den Erfolg der ersten beiden Tests werden stark bezweifelt.
Nordkorea verfügt über Plutoniumbestand für acht Bomben
In Südkorea wurde auch spekuliert, Nordkorea könnte diesmal einen Sprengsatz mit hoch angereichertem Uran zünden. Atombomben werden mit Plutonium oder Uran hergestellt. Der US-Atomwaffenexperte Siegfried Hecker, der Nordkorea in den vergangenen Jahren mehrfach besucht und dabei auch Zugang zu einer Anreicherungsanlage erhalten hatte, schätzt, dass Nordkorea über einen Plutoniumbestand für vier bis acht Bomben verfügt. Die Plutonium-Produktion wurde jedoch eingestellt. (dpa)