Islamabad. Die pakistanische Regierung gerät immer stärker unter Druck und das von allen Seiten: Terroristen bomben gegen Schiiten, in Kaschmir schwelt der Konflikt mit Indien und ein einflussreicher Prediger fordert die Auflösung der Parlamente. Nun droht auch noch die Festnahme des Regierungschefs.
Das pakistanische Verfassungsgericht hat
Medienberichten zufolge die Festnahme von Premierminister Raja Pervez Ashraf
angeordnet und damit eine erneute Regierungskrise ausgelöst. Es gehe um
Korruptionsvorwürfe gegen Ashraf aus seiner Zeit als Energieminister,
berichten die privaten Fernsehsender Geo TV und Dawn News. Insgesamt habe das
Gericht am Dienstag die Festnahme von 16 Verdächtigen verfügt, darunter die des
Regierungschefs. Die Anti-Korruptionsbehörde sei angewiesen worden, Ashraf an
diesem Mittwoch beim Verfassungsgericht in Islamabad vorzuführen.
Zwischen dem Verfassungsgericht und der von der Volkspartei PPP
geführten Regierung schwelt seit Jahren ein Konflikt. Im aktuellen Fall hatte
die Regierung während Ashrafs Zeit als Energieminister zwischen 2008 und 2011
Privatfirmen mit dem Bau von Kraftwerken beauftragt. Bei der Auftragsvergabe
soll den Vorwürfen zufolge Geld an Regierungsvertreter geflossen sein. Viele
Kraftwerke sollen nie gebaut worden sein. Die Energiekrise mit stundenlangen
Stromausfällen selbst in Metropolen dauert bis heute an.
Verfassungsgericht wirft Ashraf Korruption vor
Das Verfassungsgericht stoppte das Projekt im März 2012 und verhängte
hohe Geldstrafen gegen die Firmen. Das Gericht ordnete die
Anti-Korruptionsbehörde außerdem an, Anklagen gegen Beschuldigte vorzubereiten,
darunter Ashraf. Im vergangenen April – Ashraf war zu dem Zeitpunkt wegen der
Korruptionsvorwürfe bereits ins Amt des Ministers für Informationstechnologie
gewechselt – war er drei Stunden lang von der Behörde verhört worden.
Zu der Anordnung des Gerichts kam es nur wenige Stunden, nachdem ein
muslimischer Geistlicher in der pakistanischen Hauptstadt vor Tausenden
Anhängern den Rücktritt der Regierung verlangt hatte. Der Kleriker Muhammad
Tahir ul Qadri forderte nach einem Protestzug von Lahore nach Islamabad die
Auflösung des Parlaments in Islamabad und der Provinzparlamente. "Der lange
Marsch ist beendet, und jetzt beginnt eine Revolution", sagte er. Zunächst hatte
der Geistliche von Millionen Anhängern gesprochen, die ihm folgen würden. Geo TV
zitierte Schätzungen, wonach sich 35.000 Menschen versammelten.
Im Kashmir-Konflikt droht neuer Streit mit Indien
Die pakistanische Regierung steht außerdem im Kaschmir-Konflikt unter
Druck. Indien warf dem Nachbarn am Dienstag erneut mehrere Verletzungen des
Waffenstillstands an der Demarkationslinie vor. In der vergangenen Woche kam es
in Pakistan zudem zu der schwersten Terrorserie
seit Monaten mit weit über 100 Toten. Die meisten Opfer hatte die schiitische
Minderheit zu beklagen.
Die Legislaturperiode in Pakistan läuft
im März ab. Dann übernimmt laut Verfassung eine Übergangsregierung für 60 Tage,
um Parlamentswahlen vorzubereiten.
Auch Ashrafs Vorgänger wurde vom Verfassungsgericht geschasst
Das Verfassungsgericht unter dem streitbaren Vorsitzenden Iftikhar
Chaudhry hatte Ashrafs Vorgänger als Regierungschef, Yousuf Raza Gilani, im Juni
des Amtes enthoben. Gilani hatte sich zuvor geweigert, die Behörden in der
Schweiz um die Wiederaufnahme eines Geldwäscheverfahrens gegen Präsident Asif
Ali Zardari zu bitten. Er wurde wegen Missachtung des Gerichts verurteilt. Einen
ursprünglich vorgesehenen Nachfolger verhinderte das Verfassungsgericht, indem
es gegen ihn wegen Korruptionsvorwürfen Haftbefehl erließ.
Schließlich wurde Ashraf im Juni vereidigt. Im August kippte das
Verfassungsgericht ein neues Gesetz, das den Staats- und den Regierungschef vor
Bestrafung wegen Missachtung des Gerichts schützen sollte. Seine Regierung bat
die Behörden in der Schweiz daraufhin um eine Wiederaufnahme von Ermittlungen
gegen Zardari, nicht aber um eine Neuauflage des Verfahrens. Das
Verfassungsgericht billigte den Brief schließlich im Oktober. (dpa)