Berlin. Die Pannen um den Großflughafen Berlin-Brandenburg haben Klaus Wowereit bereits seinen Posten als Aufsichtsratschef des Miilliardenprojkets gekostet. Regierender Bürgermeister will der Sozialdemokrat aber bleiben. Trotz massiver Rücktrittsforderungen – inzwischen auch aus den eigenen Reihen.

Die Kritik an Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) wird nach dem Debakel um den Hauptstadtflughafen immer lauter. Am Wochenende war bekannt geworden, dass auch der für den 27. Oktober 2013 geplante Eröffnungstermin nicht zu halten ist. Obwohl Wowereit daraufhin den Chefposten im Aufsichtsrat aufgab, drängten ihn Politiker aller Couleur am Dienstag zum Rücktritt. Auch aus den eigenen Reihen gibt es die erste Forderung nach einem Ausscheiden aus seinem politischen Amt.

"Wer als Aufsichtsratsvorsitzender seiner Position nicht gewachsen ist, kann auch nicht eine 3,5-Millionenstadt regieren", sagte der FDP-Verkehrsexperte Oliver Luksic am Dienstag im Deutschlandfunk. Wowereit habe zahlreiche schwere Fehlentscheidungen getroffen und trage die politische Verantwortung. "Insofern ist er meines Erachtens auch als Regierender Bürgermeister nicht mehr im Amt zu halten", sagte er. Luksic warf Wowereit vor, eine katastrophale Informationspolitik betrieben und Fakten falsch wiedergegeben zu haben.

Der erste SPD-Parteikollege rückt von Wowereit ab

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Peter Danckert, in dessen Wahlkreis der neue Großflughafen liegt, ordnete die Kostenexplosion im ZDF-"Morgenmagazin" als "eine erbärmliche Situation" ein. In der "Rheinischen Post" rückte er von Wowereit ab: "Ob die Nibelungentreue zu Klaus Wowereit für die Berliner SPD so förderlich ist, bezweifle ich." Für die Berliner SPD sei die Lage sehr prekär. "Sie muss jetzt entscheiden, wie es mit dem Regierenden Bürgermeister weitergeht", sagte der SPD-Politiker. Notfalls müsse der SPD-Landesvorsitzende Jan Stöß das Amt übernehmen, forderte Danckert.

Die rot-schwarze Koalition in Berlin hält trotz der erneuten Verschiebung an Wowereit als Regierendem Bürgermeister fest. Für einen Rücktritt Wowereits, wie ihn die Berliner Oppositionsparteien fordern, gebe es "keinerlei Grund", sagte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles am Dienstag im Sender SWR2. Auch habe sich Wowereit im "Gegensatz zum öffentlichen Bild" des Flughafen-Projekts intensiv angenommen.

Berliner Grünen planen Misstrauensantrag gegen Wowereit

Zu dem von den Berliner Grünen angekündigten Misstrauensantrag gegen Wowereit sagte der Berliner SPD-Fraktionschef Raed Saleh, seine Fraktion werde dem Bürgermeister das Vertrauen aussprechen. Zuvor hatte sich auch der CDU-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, Florian Graf, zum Regierungsbündnis mit der SPD bekannt. Über den Misstrauensantrag, der voraussichtlich auch von der Piratenpartei und der Linken unterstützt wird, soll am Donnerstag abgestimmt werden.

Auch Grünen-Politiker Christian Ströbele forderte Konsequenzen aus der erneuten Verschiebung des Flughafen-Eröffnungstermins. Wowereits Abschied als Aufsichtsratschef der Betreibergesellschaft reiche nicht aus, sagte der Bundestagsabgeordnete im Deutschlandfunk. "Der kann's nicht, der muss gehen", verlangte er. Ströbele hält auch den designierten neuen Aufsichtsratschef, den brandenburgischen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD), für ungeeignet. Dass Platzeck nun den Karren aus dem Dreck ziehe, "das glaubt doch keiner", sagte Ströbele. Platzeck und Wowereit hätten im Aufsichtsrat bislang wie Zwillinge agiert.

Flughafengegner nehmen Planer und Bauleute in Schutz

Unterdessen erhalten Planer und Bauleute des von Pannen begleiteten Hauptstadtflughafens Rückendeckung von unerwarteter Seite. "Nicht sie haben all die Fehler gemacht. Ursache für das Chaos sind die ständigen Änderungswünsche der Bauherren", sagte der Chef der Friedrichshagener Bürgerinitiative, Ralf Müller. Der Zusammenschluss gilt als einflussreichste Protestvereinigung Berlins gegen den Airport.

"Das sind alles Fachleute, die den Airport gebaut haben", betonte Müller, der selbst als Diplomingenieur große Bauprojekte betreut. "Auch Planer wie gmp haben große Erfahrung." Es sei falsch, wenn es jetzt heiße, die Brandschutzanlage ist Schuld am Aufschub. Vielmehr sei um eine richtige Anlage zunehmend ein anderer Flughafen als vorgesehen gebaut und damit "sehenden Auges in die falsche Richtung" getrieben worden. Das mache ihn aus fachlicher Sicht "fassungslos", sagte Müller. "Die Hauptschuld liegt also bei den Bauherren - Berlin, Brandenburg und dem Bund." (dapd / afp)