Washington. . Präsident Barack Obama will den republikanischen Ex-Senator Charles Timothy „Chuck“ Hagel an der Spitze des Verteidigungsministeriums durchsetzen. Doch im Senat formieren sich die Gegner, die den 66-jährigen Querdenker verhindern wollen.
Bei der Nachfolge von Hillary Clinton zog Barack Obama gar nicht erst in die Schlacht. Seine Wunschkandidatin Susan Rice nahm sich, beschädigt durch die Attacken republikanischer Falken in der Affäre um den Tod des US-Botschafters in Libyen nach einem Terroranschlag, frühzeitig selbst aus dem Rennen und machte den Weg für John Kerry an die Spitze des Außenministeriums frei. Bei der Frage, wer nach dem amtsmüden Leon Panetta das Verteidigungsministerium kleinsparen soll, ist der amerikanische Präsident dagegen zum Kampf entschlossen.
Charles Timothy „Chuck“ Hagel, der frühere republikanische Senator, erwartet nach der bevorstehenden Nominierung ein Spießrutenlaufen. Im Senat, der die Einstellung des Pentagon-Chefs absegnen muss, formiert sich eine breite Front gegen den 66-Jährigen. „Mehrere Dutzend Gegenstimmen“ erwartet der Sender NBC.
In beiden Parteilagern gilt der von deutschen und polnischen Einwanderern abstammende Konservative aus dem rau-ländlichen Agrar-Bundesstaat Nebraska als unbequemer Querdenker. Seine Kritik an der israelischen Siedlungspolitik und dem Einfluss der jüdischen Lobby in Washington, sein Eintreten gegen ein militärisches Abenteuer im Iran und für die Aufnahme von Verhandlungen mit der radikal-islamischen Hamas im Nahost-Konflikt hat den zweifachen Familienvater zur Zielscheibe vor allem jüdischer Organisationen werden lassen. In Zeitungsanzeigen, TV-Spots und Medienberichten wird Hagel seit Tagen unverhohlen als „Anti-Semit“ verunglimpft.
Mehrfach im Kampf verwundet
Liberale bezweifeln aus anderen Gründen seine Eignung. Hagel hatte sich 1998 gegen die Ernennung von James Hormel zum US-Botschafter in Luxemburg gestellt. Begründung: Dessen offen homosexuelle Orientierung sei ein Hindernis im diplomatischen Dienst. Entschuldigungen Hagels dazu stoßen bis heute nur begrenzt auf Akzeptanz.
Mit Brent Scowcroft und Zbigniew Brzezinski wandten sich zuletzt zwei der renommiertesten Ex-Regierungsberater der Ära Bush und Carter öffentlich gegen die Herabwürdigung Hagels, der sich in herausragender Weise um Amerika verdient gemacht habe und „von unerschütterlicher Integrität und Weisheit“ sei. Mit Hagel würde zum ersten Mal ein im Kampf mehrfach verwundeter und mit dem Tapferkeitsorden „Purple Heart“ dekorierter Veteran an die Spitze des Pentagon gelangen.
Als 21-Jähriger tat der Sohn eines Hilfsarbeiters als Sergeant in der 9. Infanterie Division in Vietnam Dienst. Erst begeistert. Später fühlte er sich und seine Generation von Präsident Johnson verheizt.
Scharfe Kritik am „Politik-Pfusch“ von Parteifreund George W. Bush
Hagel gehörte nach anfänglicher Zustimmung zu den schärfsten Kritikern von Präsident George W. Bush. Dessen Irakkrieg sei „der gefährlichste Politik-Pfusch in der Geschichte Amerikas seit Vietnam“, sagte er in Kongress-Sitzungen und drohte mit einem Amtsenthebungsverfahren gegen seinen Parteifreund.
Seine Vita als Vietnam-Veteran könnte Hagel zu Gute kommen, wenn er demnächst Generälen wie der Rüstungsindustrie dramatische Kürzungen im Verteidigungshaushalt nahebringen muss – Obamas größte Erwartung an ihn.
Barkeeper, Rundfunkreporter, Student
Hagel kommt aus einfachen Verhältnissen. Das Geld fürs Studium verdiente er sich als Barkeeper und Radioreporter. Mitte der 80er Jahre verscherbelte er seinen gebrauchten Buick und gründete mit dem Startkapital die Firma Vanguard Cellular. 1998 verkaufte er den Handy-Hersteller für rund 900 Millionen Dollar an den Mobilfunkriesen AT & T.
Zurzeit lehrt er an der Georgetown Universität im Fachbereich Internationale Politik. Chuck Hagel lebt mit seiner Frau Lilibet und den Kindern Ziller und Tochter Allyn in McClean vor den Toren Washingtons.