Düsseldorf. . FDP-Landeschef Christian Lindner arbeitet an einer Strategie, mit der die FDP den Untergang im Wahljahr 2013 verhindern soll. Da kündigt sich ein sanfter Linksruck an: Die Partei der Besserverdienenden entdeckt die mitfühlende Politik.

Als die NRW-FDP am 13. Mai ihre politische Wiederauferstehung feierte, hielt es Hans-Dietrich Genscher nicht zu Hause. Obwohl frisch operiert, saß der 85-jährige Ehrenvorsitzende in einem Düsseldorfer Hotel beim liberalen Spitzenkandidaten Christian Lindner, der seine Partei bei den Landtagswahlen binnen weniger Wochen vom Rande der Umfragen-Messbarkeit zu einem prächtigen 8-Prozent-Ergebnis geführt hatte.

Das liberale Wunder vom Rhein und die offene Lindner-Sympathie solcher FDP-Granden wie Genscher oder Gerhart-Rudolf Baum wecken seither Sehnsüchte in einer angeschlagenen Truppe, der 2013 mit Wahlen in Niedersachsen (Januar) und im Bund (September) ein Schicksalsjahr bevorsteht. Welche Lehren lassen sich für die Gesamt-FDP aus dem fulminanten NRW-Wahlkampf ziehen?

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Wenig in Talkshows, viel im Landtag

Christian Lindner tut zurzeit eine Menge dafür, nicht als FDP-Bundesvorsitzender im Wartestand wahrgenommen zu werden. Der 33-Jährige hat mit seiner Frau, einer Journalistin, eine Wohnung im Düsseldorfer Norden bezogen, macht sich in Talkshows eher rar, ist dafür häufig im Landtag anzutreffen und wägt jedes seiner Worte zur Bundespolitik.

Ein Jahr, nachdem er vor dem unglücklich agierenden Parteichef Philipp Rösler aus dem Generalsekretärs-Amt flüchtete, hat er sich Demut verordnet. Er gibt den leidenschaftlichen Regionalpolitiker und versagt sich jede Gemeinheit vor der Niedersachsen-Wahl, bei der indirekt auch über Röslers Zukunft und die Vorzeichen für die Bundestagswahl abgestimmt wird. Dennoch: Die jüngste Nachricht, dass Lindner während der Weihnachtstage mit Genscher an der Schlussredaktion eines gemeinsamen Buches („Zwei Generationen. Eine Leidenschaft“) feilen will, lässt auf weitergehende Ambitionen schließen.

Lindner leugnet den Lindner-Effekt

Die Doppel-Autorenschaft dürfte weiterer Teil der liberalen Selbstvergewisserung sein, die Lindner seit Mai in NRW vorantreibt. Wofür steht die FDP? Wie muss sie sein? Wen will sie ansprechen? Seit dem Wahlerfolg im Land hat Lindner den Liberalen zunächst den Glauben an den „Lindner-Effekt“ ausgetrieben. Er hat aufgeräumt mit der Vorstellung, es müsse sich nur das telegene „Wunderkind aus Wermelskirchen“ auf die Bühne stellen, und schon flögen der Partei wieder die Wählerherzen zu.

Vielmehr hat er gemeinsam mit seinem neuen Generalsekretär, dem Gelsenkirchener Bundestagsabgeordneten Marco Buschmann, ein zwölfseitiges Strategiepapier verfasst, das man als Abkehr von Steuersenkungs-Mantra, Partei der Besserverdienenden und Berliner Koalitionsgezänk lesen kann. Lindner empfiehlt eine liberale, marktwirtschaftliche, rechtsstaatliche, tolerante und zugleich mitfühlende Politik für die „verantwortungsbereite Mitte“.

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Schluss mit der Klientelpolitik

Thematische Verengungen, stilistische Entgleisungen oder kaltherzige Klientelpolitik sollen nicht der Markenkern seiner FDP sein. „Der politische Liberalismus steht für Leistungsgerechtigkeit, zugleich aber auch für so viel mehr: Kreativität, offenes Denken, Toleranz, Vielfalt. Deshalb verbietet sich für Liberale Engstirnigkeit, Scheuklappen oder Orthodoxie. Das müssen wir stets bei der Begründung unserer Positionen beachten“, sagt Generalsekretär Buschmann.

Nicht nur die NRW-FDP hat in diesem Jahr erlebt, wie schnell Bürger inzwischen Vertrauen gewähren und entziehen. Die Lehre der Liberalen am Rhein: Nicht auf traditionelle Wählerbindungen vertrauen oder auf überkommene Reflexe setzen, sondern auf eine Haltung zielen. „Wir wenden uns an die vielen Menschen, die zuerst fragen, was sie selbst tun können, um ihre eigene Situation und die Situation ihrer Mitmenschen zu verbessern“, formuliert es Buschmann. Parteifunktionäre eingeschlossen.