Wiesbaden. Das Bundeskriminalamt registriert mittlerweile täglich zwei bis drei Gewaltdelikte von Neonazis. Im laufenden Jahr gab es bereits fünf versuchte Tötungsdelikte mit rechtem Hintergrund. Das sei nicht hinnehmbar.
Nach dem Ende der „Zwickauer Zelle“ und der Mordanklage gegen die verbliebene Verdächtige Beate Zschäpe hält Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) weitere rechtsextreme Terroranschläge für möglich.
„Wir müssen das in Betracht ziehen“, sagte er auf der Herbsttagung des Bundeskriminalamtes (BKA) in Wiesbaden. Eine inzwischen 6000 Köpfe starke neonazistische Szene, die Ausstattung der Extremisten mit Waffen und Sprengstoff und eine feststellbare zunehmende Radikalisierung deuteten darauf hin.
Auch BKA-Chef Jörg Ziercke sieht das so: Von den jährlich 17 000 rechtsextremen Strafttaten seien 800 Gewaltdelikte – „täglich zwei bis drei Gewalttaten“ der rechtsextremen Szene seien nicht hinnehmbar. In diesem Jahr habe es schon fünf versuchte Tötungsdelikte mit rechtem Hintergrund gegeben, sagte Ziercke – so viel wie im ganzen letzten Jahr. Die Polizeibehörden durchforsteten derzeit ungeklärte Tötungsdelikte der letzten zwanzig Jahre auf einen neonazistischen Hintergrund. Hier hätten die Länder mehrere Verdachtsfälle gemeldet.
Für NPD-Verbot bleibt ein Prozess-Risiko
Besondere Sorge macht den Sicherheitsbehörden das offensive Auftreten islamfeindlicher Gruppen sowie der so genannten „Unsterblichen“, einer rechtsextremen Gruppierung, die sich im Internet zu Flashmob-Auftritten in deutschen Großstädten verabredet. In diesem Jahr habe es bereits 25 solcher Auftritte gegeben, sagte Ziercke.
Drei Wochen vor einer Entscheidung der Länder-Ministerpräsidenten über einen Antrag auf ein NPD-Verbot hat sich der Bundesinnenminister in Wiesbaden für ein „kluges Abwägen der Chancen und Möglichkeiten“ des Verbots ausgesprochen. Rund 1000 Seiten gesammelter Dokumente lägen inzwischen vor. Es gebe aber auch „Prozessrisiken“ vor dem Bundesverfassungsgericht. Dazu gehöre, dass das Gericht die Klarnamen aller V-Leute verlange, die für die Verfassungsschutzbehörden in der NPD arbeiteten.