Es gab noch nie so viel Gewalt rund um Fußballstadien
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Düsseldorf.. Die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze der Polizei hat ermittelt, dass in der abgelaufenen Saison die Zahl der verletzten Stadionbesucher drastisch auf 1140 gestiegen ist. Zudem versuchen Rechtsradikale in der Ultra-Szene Fuß zufassen. Die BVB-Südtribüne ist bereits von Neonazis unterwandert.
Gewalt und Ausschreitungen bei Spielen der Fußball-Bundesliga sind auf neue Höchstwerte gestiegen. Noch nie registrierte die Polizei so viele Verletzte und Strafverfahren wie in der Saison 2011/12, noch nie musste sie so viele Einsätze rund um die Stadien bewältigen. Das geht aus dem neuen bundesweiten Lagebericht hervor, der der WAZ Mediengruppe vorliegt. NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) sprach auf Anfrage von einem „Alarmsignal“. 8100 Strafverfahren pro Saison allein in der ersten und zweiten Liga seien „viel zu viel“.
Die Daten hat die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) der Polizei erhoben. Danach wurden in der abgelaufenen Saison 1140 Besucher bei Bundesligaspielen verletzt – diese Bilanz liegt um 120 Prozent über dem Durchschnitt der letzten zwölf Jahre. 7300 Personen wurden festgenommen. Bei Heimspielen der NRW-Vereine gab es 1540 Festnahmen und 322 Verletzte, darunter 45 Polizeibeamte. 840 Strafverfahren wurden eingeleitet.
4000 Anhänger gewaltbereit
Das gewalttätige Potenzial unter den Fans wird von Jahr zu Jahr größer, wie aus der Studie hervorgeht. Bundesweit zählt die Polizei dazu in den oberen vier Ligen etwa 16 500 Personen – eine Steigerungsrate von zehn Prozent gegenüber der Vorsaison. Szenekundige Beamte schätzen, dass in NRW rund 4000 Anhänger der Vereine bis zur Regionalliga gewaltbereit sind. „DFB und DFL sind jetzt gefordert“, sagte Jäger. Die Verbände und Vereine müssten mehr für die Sicherheit von Fußballspielen tun.
Die Proficlubs geraten immer stärker unter den Druck der Politik, konsequenter gegen Randalierer vorzugehen. „Die Fußballvereine müssen sich mehr um ihre Fans kümmern“, so Jäger. Im kommenden Jahr kassieren die Bundesligaclubs nach seinen Angaben rund 660 Millionen Euro aus dem Verkauf der Fernsehverwertungsrechte. Ein Teil dieses Geldes sollte umgehend in Präventionsmaßnahmen investiert werden.
Bei den gewaltbereiten Fans des deutschen Meisters Borussia Dortmund ist ein Teil der Randale auch politisch motiviert. Nach Informationen der WAZ und des „Spiegel“ haben Mitglieder der verbotenen Neonazi-Organisation „Nationaler Widerstand“ die Dortmunder Ultra-Szene unterwandert, um dort Nachwuchs zu rekrutieren. Bei den jüngsten Krawallen in Dortmund beim Derby gegen Schalke sollen die Rechtsradikalen beteiligt gewesen sein.
Insgesamt wird im Innenministerium davon ausgegangen, dass es an 13 Spielorten eine „teilweise personelle Überschneidung der jeweiligen Fußballszenen mit den rechten Szenen“ gibt. Insgesamt zählt die Polizei dazu 380 gewaltbereite Personen in den oberen beiden Ligen. Allerdings seien in deutschen Stadien „strafbewehrte, rechtsmotivierte Handlungen nur in sehr geringer Anzahl festzustellen“. Darüber hinaus gebe es auch Problemfans aus der linken Szene.
Randale bei Revierderby
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Polizei gegen Bengalos machtlos
Das Abbrennen von Pyrotechnik in den Fußballstadien wird für die Vereine zu einem immer größeren Problem. Meist von Ultra-Fangruppen durch alle Kontrollen geschmuggelt, bedrohen Bengalos mit ihrer starken Rauchentwicklung auch die Gesundheit vieler unbeteiligte Fans. Die Sicherheitskräften sind trotz Videoüberwachung dagegen oft machtlos, wie die Polizei in ihrem bundesweiten Lagebericht eingestehen muss.
Häufig werde Pyrotechnik vor allem auf den Stehplätzen im Sichtschutz übergroßer Transparente und Fahnen gezündet, die teilweise den ganzen Fanblock überspannen. Damit werde der Videobeweis unterlaufen. „Dem gleichen Zweck dienen zur Vermummung hochgezogene Schals oder ins Gesicht heruntergezogene Kapuzen“, heißt es.
Auch hier sieht NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) vor allem die Clubs in der Verantwortung. „Wer im Stadion lebensgefährliche Pyrotechnik abbrennt, muss genauso mit Konsequenzen rechnen wie die, die sich im Umfeld von Stadien prügeln“, sagt er. Dass insgesamt die Straftaten überwiegend in den Stadien oder in der näheren Umgebung registriert werden, ist laut Bericht ein „eindeutiges Indiz dafür, dass die Fußball-Gewalttäter die Bühne des Stadions für ihre Aktivitäten benötigen“.
255 Stadionverbote, die auf örtliche Stadien begrenzt waren, wurden in der Saison 2011/12 verhängt – und weitere 1035, die bundesweit wirksam waren. Insgesamt sind derzeit über 2700 bundesweite Stadionverbote in Kraft. „Eine Trendwende, die einen Rückgang des gewaltbereiten Potenzials in den Anhängerschaften der Vereine der Bundes- und Regionalligen indizieren würde, ist weiterhin nicht erkennbar“, heißt es in dem Bericht.
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