Hannover.. In einer Urwahl sollen die rund 60.000 Mitglieder der Partei die Grünen darüber abstimmen, welches aus einem Mann und einer Frau bestehende Duo den Bundestags-Wahlkampf 2013 anführen darf. In Hannover stellten sich jetzt erstmals zehn der insgesamt 15 Kandidaten den Fragen der Mitglieder.
Jörg Pfannschmidt sitzt im orangenen Piratenpulli im Publikum und verfolgt das Geschehen auf der Bühne. "Das ist ja eine Ur-Piratennummer", sagt er und zeigt auf die Kameras und Laptops, mit denen die Veranstaltung live im Internet übertragen wird. Nur ist es keine "Piratennummer", sondern das Urwahlforum der Grünen, bei der sich die Bewerber für die Spitzenkandidatur bei der Bundestagswahl 2013 vorstellen.
15 Bewerber treten bei der Urwahl an. Elf davon sind weitgehend unbekannt. Sie fordern die Bundespolitiker Katrin Göring-Eckardt, Renate Künast, Claudia Roth und Jürgen Trittin heraus. Die 60.000 Parteimitglieder sollen bis zum 30. Oktober in einer Basisabstimmung entscheiden, wer die Grünen 2013 in den Wahlkampf führt.
Der parteiinterne Wahlkampf wurde am Freitagabend wurde in Hannover eröffnet. Zehn der Kandidaten-Bewerber präsentierten ihr Programm.
Launig, kämpferisch, eloquent
Während sich die Neulinge vorstellen, sitzt Fraktionschef Trittin gelassen auf dem Podium, verschränkt die Arme und tuschelt mit Renate Künast. Einer seiner Herausforderer ist Werner Winkler - Schwabe, Ortsvereinsvorsitzender der Grünen in Waiblingen, sichtlich nervös am Mikrofon. Er hat zwar kommunalpolitische Erfahrung, aber sich im Rededuell mit Profis zu messen, ist ihm neu. In den vorgegebenen drei Minuten Redezeit kann er gerade einmal seine persönlichen Eckdaten vorstellen.
Trittin braucht dagegen nicht lange herumzureden: "Die CDU nennt mich Ökostalinist", beginnt er, dann hakt er ein Schwerpunktthema nach dem anderen ab - launig, kämpferisch, eloquent. Ähnlich redegewandt präsentieren auch die anderen drei Politprofis Roth, Künast und Göring-Eckardt ihre persönliche politische Agenda.
Die Fragerunde ist eröffnet. Die Herausforderer bleiben weitgehend außen vor, die Parteibasis will vor allem von den Promis wissen, was sie sich unter modernem Feminismus vorstellen, wie mit der bewaffneten syrischen Opposition umzugehen ist, wie das Europa der Zukunft aussieht oder ob weiche Drogen legalisiert werden sollten.
"Ich gebe zu, ich habe in meiner Jugend selber geraucht und dies und das probiert", gesteht Renate Künast. Sie habe im Delirium sogar "goldene Drachen gesehen". Das Publikum lacht. Künast setzt noch eins drauf: "Und Claudia weiße". Roths Lachen übertönt das Publikum. Künast schwenkt zu ernsteren Themen. "Ich kenne das Recht auf Nahrung, auf körperliche Unversehrtheit, auf Religionsfreiheit, das Recht auf Würde", betont sie. Das seien Themen der Grünen.
Roth, Künast, Göring-Eckhardt - eine der drei Frauen gilt bereits als gesetzt
"Grün" kommt als Vokabel auch bei Claudia Roth oft vor. "Grüne Inhalte" und "Grüne Politik" - dazu brauche es eben "starke Grüne", mahnt die Parteivorsitzende. Sie spricht über "chauvinistischen Neoliberalismus" und erntet viel Beifall der Basis.
Die Plätze auf dem Podium sind den Kandidaten zugelost worden. Künast, Trittin und Roth sitzen auf der Bühnenmitte direkt nebeneinander. Katrin Göring-Eckardt abseits am Rand. Das Publikum stellt der Vorsitzenden der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland undankbare Fragen zu Werten und Religion. Ihre Antworten formuliert sie in langen Sätzen.
In den kommenden Wochen werden sich die Bewerber in mehreren derartigen Foren den Fragen der Basis stellen. Da die drei Bundespolitikerinnen Künast, Roth und Göring-Eckardt die einzigen Frauen auf der Liste sind, gilt eine von ihnen als gesetzt. Aus der Urwahl gehen zwei Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl 2013 hervor, wobei mindestens einer von beiden eine Frau sein muss. Es ist auch möglich, dass beide Spitzenkandidaten weiblich sind.
Trittin macht sich trotzdem wenig Sorgen: Er sei zuversichtlich, die Mitglieder für sich zu gewinnen, sagt er der dapd. Auch Pirat Jörg Pfannschmidt ist von dem Fraktionschef der Grünen im Bundestag überzeugt: "Der hat seine Herausforderer souverän an die Wand gespielt." (dapd)