München. Die bayerische Regierung streitet über die Studiengebühren: Die FDP hält an ihnen fest, die CSU will sie so schnell wie möglich abschaffen. Über einen drohenden Volksentscheid sind die Partner der Regierungskoalition zerstritten. Nun könnten Deutschlands südlichstem Bundesland Neuwahlen bevorstehen.
Gibt es vorgezogene Neuwahlen in Bayern? Was bis vor Kurzem als nahezu unvorstellbar galt, ist seit ein paar Tagen eine ernsthaft diskutierte Frage auf den Fluren des Münchner Landtags. Anlass ist der Streit um die Studiengebühren: Seit die Freien Wähler vor Gericht durchsetzten, darüber einen Volksentscheid abhalten zu dürfen, driftet die zuletzt harmonisch arbeitende CSU/FDP-Koalition auseinander
Die CSU will die Studiengebühren so schnell es geht abschaffen, die FDP daran festhalten - der Koalitionsausschuss am Wochenende zu dem Thema könnte den Streit zur Eskalation bringen.
Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer will am Samstag und Sonntag in der Münchner Staatskanzlei mit der FDP-Spitze über die Studiengebühren verhandeln. Seehofers Ziel ist klar: Bevor das Volk die noch unter der CSU-Alleinregierung von Edmund Stoiber eingeführte Abgabe von bis zu 500 Euro pro Semester abschafft, macht er es lieber selbst.
Seehofer will Studiengebühren so schnell wie möglich loswerden
Ein schnelles Aus für die Studiengebühren wird die Opposition Seehofer zwar auch als peinlichen Umfaller auslegen, nachdem große Teile der CSU die Gebühren bisher verteidigt haben. Doch dieses Ende mit Schrecken ist Seehofer lieber als der drohende Schrecken ohne Ende: Denn die CSU fürchtet, dass parallel zu der Unterschriftensammlung für einen Volksentscheid die Opposition immer wieder namentliche Abstimmungen im Landtag zu den Studiengebühren erzwingen wird.
Vor solchen namentlichen Abstimmungen haben viele CSU-Abgeordnete schon mit Blick auf den eigenen Job Angst: Wenn sie für die im Volk unbeliebten Gebühren stimmen, droht ihnen bei der regulär im September 2013 anstehenden Landtagswahl im Kampf ums Direktmandat eine Watsche durch die Wähler.
FDP findet Spekulationen über die Regierung "unangemessen"
Wohl aus diesem Grund nahmen in dieser Woche die ersten CSU-Abgeordneten das Wort Neuwahlen in den Mund - darunter der ehemalige Justizminister Alfred Sauter und Landtagsvizepräsident Reinhold Bocklet. "Man muss einen Termin im Frühjahr nicht fürchten", sagte Bocklet der "Süddeutschen Zeitung".
Der FDP-Spitzenmann Martin Zeil, der Wirtschaftsminister und stellvertretender Ministerpräsident ist, versuchte am Freitag im Bayerischen Rundfunk zwar etwas Dampf aus dem Kessel zu lassen. Es gebe keinen Krach und keinen Bruch der Koalition, sagte Zeil. "Wir haben ja auch keine Spekulationen angestellt über die Zukunft der Koalition, das ist ja anderen eingefallen, ich halte das für völlig unangemessen."
CSU warnt FDP vor einem Studiengebühren-Alleingang
Allerdings wollen die Liberalen auch keinen Zentimeter von ihrer Haltung pro Studiengebühren abrücken. Es könne nicht richtig sein, dass der Bäcker oder die Krankenschwester mit ihren Steuern dem künftigen Chefarzt das Studium finanziere. Er sei dafür, das Volk entscheiden zu lassen, sagte Zeil.
In der CSU-Spitze wird diese Haltung als fatal gesehen. "Die FDP sollte sich das genau überlegen: Sie wird dann im Sommer im Landtagswahlkampf auf einmal ganz alleine dastehen und alleine für die Studiengebühren kämpfen müssen", sagte einer aus der Fraktionsführung.
Ende der Studiengebühren
Dort ruht die Hoffnung nun darauf, dass sich - wie jüngst im Berliner Koalitionsausschuss - das Problem durch einen Deal lösen lässt: So wie sich dort die CSU die Zustimmung der FDP zum Betreuungsgeld durch die Abschaffung der Praxisgebühren erkaufte, gibt es auch in Bayern politische Handelswaren wie etwa eine Aufstockung des Wissenschaftshaushalts, um die wegfallenden Studiengebühren zu kompensieren.
Bayerns Opposition ist auf Scheitern der Regierung vorbereitet
Doch ob sich die FDP-Spitze, die sich vielstimmig und mit Vehemenz hinter die Studiengebühren gestellt hat, wirklich auf solch ein Tauschgeschäft einlässt, ist anders als beim Betreuungsgeld nicht absehbar. "Nun liegt alles in der Hand des Verhandlungsgeschicks von Horst Seehofer", sagte ein Mitglied der CSU-Führung zur Bedeutung der Beratungen am Wochenende für den Fortbestand der bayerischen Koalition.
Indes versichert der bayerische SPD-Spitzenkandidat Christian Ude, die Opposition sei für den Fall eines Auseinanderbrechens der Koalition "bestens vorbereitet". Er rechne allerdings nicht mit vorzeitigen Landtagswahlen. Die CSU-Drohungen seien lediglich "Theaterdonner". (afp/dapd)