München. . Vor Gericht wird oft gekungelt, anstatt nach der Wahrheit zu suchen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage unter 330 Richtern, Staatsanwälten und Strafverteidigern. Die Flut an Verfahrensabsprachen beschäftigt am kommenden Mittwoch das Bundesverfassungsgericht.

Bei Absprachen im Strafprozess halten sich viele Richter nicht ans Gesetz. Die seit 2009 geltenden Regeln für mehr Transparenz bei der umstrittenen Verständigungspraxis werden häufig umgangen, wie die „Süddeutsche Zeitung“ unter Berufung auf eine Umfrage unter gut 330 Richtern, Staatsanwälten und Strafverteidigern aus Nordrhein-Westfalen berichtete. Die Studie des Düsseldorfer Professors Karsten Altenhain wurde demnach für die Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts zu Verfahrensabsprachen am kommenden Mittwoch gefertigt.

In der Umfrage äußern dem Bericht zufolge fast zwei Drittel der befragten Amtsrichter die Einschätzung, in jeder zweiten Absprache werde gegen die Gesetzesregelung zur Verfahrensabsprache verstoßen. Diese seit gut drei Jahren geltende Regelung soll vor allem Transparenz herstellen. Das Gesetz verpflichtet die Gerichte unter anderem, die auch als Deal bezeichneten Absprachen zu protokollieren. Zudem dürfen sie nur die Strafhöhe betreffen. Der Schuldspruch selbst, also die Frage, ob ein Angeklagter verurteilt wird oder nicht, ist ausdrücklich von einer solchen Vereinbarung ausgenommen.

Erforschung der Wahrheit bleibt aus

Aus der Umfrage wird laut „SZ“ allerdings deutlich, dass die auch bei einem Deal weiter unabdingbare „Erforschung der Wahrheit“ in der gerichtlichen Praxis häufig unterbleibt. Zwar werde in diesen Fällen fast immer ein Geständnis abgelegt, berichtete die Zeitung. Typischerweise werde dies aber vom Verteidiger in knapper, formalisierter Form vorgetragen. 28 Prozent der Richter räumen demnach ein, dass sie allenfalls teilweise Geständnisse überprüfen. Aus Sicht der Verteidiger und Staatsanwälte sind die Richter hier sogar noch deutlich nachlässiger.

Laut der Studie berichtet zudem mehr als die Hälfte der Anwälte von wahrscheinlichen Falschgeständnissen ihrer Mandanten, die damit einer angedrohten höheren Strafe entkommen wollten. Allerdings rege sich hier bei vielen Richtern das Gewissen, berichtete die „SZ“. So gäben zwei Drittel der Richter an, dass sie dem Angeklagten grundsätzlich nicht mit einer „Sanktionsschere“ drohen – also mit der Kluft zwischen milder und hoher Strafe, je nachdem, ob er geständig ist oder nicht. Allerdings wollen der Studie zufolge vor allem die Verteidiger genau wissen, wie viel ein Geständnis bringt.