Berlin. . Der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hat 1,25 Millionen Euro in drei Jahren für Vorträge kassiert. Politik-Experten sehen die Nebeneinkünfte bei Stammwählern der Partei schwer vermittelbar. Auch wenn Steinbrück sich allem Anschein nach formal korrekt verhalten hat, droht ihm ein Konflikt mit der Basis.

Peer Steinbrück war in der SPD immer schon ein streitbarer Geist und ist nicht bei allen Genossen beliebt. In seiner Zeit als Finanzminister der Großen Koalition unter Angela Merkel sahen viele in ihm eher den CDU-Mann als einen Sozialdemokraten. Nun hat Steinbrück in Berlin auf öffentlichen Druck seine Nebeneinkünfte veröffentlicht – und erneut droht ein Konflikt mit der Parteibasis.

Zwischen 2009 und 2012 hat er als Abgeordneter für Vorträge außerhalb des Bundestags rund 1,25 Millionen Euro verdient. Aus Sicht von Politikwissenschaftler Gerd Langguth von der Uni Bonn ein weiterer Punkt, der für die SPD und viele Stammwähler schwer vermittelbar ist: „Zum einen hat er sich zu lange gegen eine komplette Veröffentlichung gewehrt, zum anderen passen solche Summen nicht ins Weltbild der klassischen SPD-Wähler.“

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Steinbrück wähnt sich auf der Flucht nach vorn: „Mit der Veröffentlichung gehe ich weit über die derzeitigen Transparenzregeln hinaus“. Diese Feststellung ist ihm so wichtig, dass er sie gestern in Berlin gleich zweimal zum Besten gab. Für Ulrich von Alemann, Politikwissenschaftler der Uni Düsseldorf, aus gutem Grund: „Er hat mehr getan als verlangt wurde. Jetzt sind die Gutverdiener von CDU/CSU und FDP am Zug.“

Dass er zwei Vorträge nicht ordnungsgemäß beim Bundestagspräsidenten gemeldet hatte, gab Steinbrück hingegen zerknirscht zu: „Das habe ich verschwitzt.“ Der Fehler sei inzwischen korrigiert. Zudem räumte er ein, 2009 und 2011 sieben Sitzungstage im Parlament geschwänzt zu haben, darunter einige mit namentlichen Abstimmungen.

15 000 Euro „Standardhonorar“

Die Summe von 1,25 Millionen Euro, die Steinbrück von Wirtschaftsprüfern hat ermitteln lassen, speist sich aus den Honoraren für 89 Vorträge, die er unter anderem für Finanzinstitute, Wirtschaftsverbände, aber zum Beispiel auch bei den „Küchen-Kompetenz-Tagen“ eines Möbelhauses gehalten hat. 74 der Reden sind mit einem „Standardhonorar“ von 15 000 Euro vergütet worden. Davon bleiben unterm Strich 7300 Euro netto. Wie aus den Unterlagen hervorgeht, sprach der SPD-Politiker auch auf Veranstaltungen der Volksbank Dortmund und der Stadtwerke Bochum. Für den Bochumer „Atriumtalk“ im November 2011 erhielt Steinbrück sogar 25 000 Euro, die jedoch, wie vertraglich vereinbart, gespendet wurden. Für die Rede in Dortmund im März 2012 bekam er 15 000 Euro.

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Politologe Langguth findet, dass Peer Steinbrück seine Vorträge hätte kostenlos halten sollen: „Das machen andere Bundestagsabgeordnete auch so. In erster Linie ist Steinbrück im Hauptberuf Mandatsträger und kein Redenhalter wie ehemalige US-Präsidenten.“ Dieter Wiefelspütz, innenpolitischer Sprecher der SPD im Bundestag, nimmt Steinbrück dagegen in Schutz: „Das ist eine sehr deutsche Diskussion, die sehr stark von Neid besetzt ist.“

Die SPD tut sich mit Besserverdienern schwer

In vorderster Verteidigungslinie steht immer noch Steinbrück selbst: Gestern widersprach er zum wiederholten Mal dem Vorwurf, durch seine Vorträge in eine Abhängigkeit zu seinen Auftraggebern geraten zu sein. „Das ist absurd.“ Es sei Aufgabe eines Politikers, den Kontakt zu den Bürgern zu suchen. Er wolle auch Menschen erreichen, die nicht zur Stammklientel der Sozialdemokraten gehören, sagte Steinbrück. Nur stellt man sich eben vor, dass Politiker ihre Botschaft unentgeltlich unters Publikum bringen.

Zudem hilft ihm seine Argumentation nicht weiter, wenn man Kanzlerkandidat einer Partei ist, deren klassische Klientel sich mit Besserverdienern schwer tut. Die Sorgen der SPD jedenfalls sind mit Steinbrücks Auftritt wohl nicht restlos ausgeräumt. „Steinbrück möchte für die Wahl im nächsten Jahr auch Menschen, die wenig Geld besitzen, für sich gewinnen. Auch Arbeitslose. In dieser Schicht der Wählerschaft hat er jetzt einen wunden Punkt. Für die ist er auf Grund seines Verdienstes ,keiner von uns’“, sagt Politikwissenschaftler Ulrich von Alemann. Doch das seien die ebenfalls gut verdienenden Willy Brandt, Helmut Schmidt und Gerhard Schröder auch nicht gewesen.