Brüssel/Luxemburg. Deutschland und Schweden wollen den Zustrom von Asylbewerbern aus Balkanländern begrenzen. Vor allem Missbrauch durch Menschen-Schleuser soll “an der Wurzel“ bekämpft werden. Auch die Visafreiheit für Flüchtlinge aus Serbien und Mazedonien steht zur Debatte. Die Grünen sind empört über die Vorstöße.

Mit härterer Strafverfolgung und mehr Aufklärungsarbeit will die Bundesregierung den Zustrom von Asylbewerbern aus Balkanländern schon an der Quelle begrenzen. "Es ist wichtig, dass wir diejenigen unter Strafe stellen, die diesen Missbrauch organisieren", sagte Innenstaatssekretär Ole Schröder am Donnerstag in Luxemburg. Mit Blick auf die wachsende Zahl organisierter Reisen könne "man hier auch schon von Schleusen sprechen".

Wie Deutschland sprach sich auch Schweden dafür aus, vor allem Einreisen aus Serbien und Mazedonien zu beschränken und die Visafreiheit für Staatsangehörige beider Länder zu begrenzen. Die Grünen kritisierten das als Populismus.

Asyl für Notfälle gedacht, nicht für wirtschaftlichen Aufstieg

Potenzielle Bewerber müssten frühzeitig erfahren, dass das Recht auf Asyl für humanitäre Notfälle gedacht sei - und nicht, um in Deutschland "zu arbeiten und die wirtschaftliche Situation zu verbessern", sagte Schröder. Seine Marschroute für das Treffen der EU-Innenminister hatte ihm Ressortchef Hans-Peter Friedrich (CSU) schon am Morgen vorgegeben: "Serbien und Mazedonien gelten nach unserer informellen Einschätzung als sichere Herkunftsstaaten", sagte er dem ARD-"Morgenmagazin".

Und wer "aus einem sicheren Herkunftsstaat kommt, soll künftig eine abgesenkte Barleistung erhalten", präzisierte er im Gespräch mit der Zeitung "Die Welt". Schröder wollte in Luxemburg den "massivem Asylmissbrauch" thematisieren und verwies darauf, dass die Anerkennungsquoten von Bewerbern "gegen Null" gingen.

Die begrenzten Aufnahmekapazitäten müssten aber vor allem jenen zur Verfügung stehen, die wirklich darauf angewiesen seien: "Es ist einfach nicht akzeptabel, dass wir mittlerweile doppelt so viele Asylbewerber aus Serbien haben im Vergleich zu Menschen aus Afghanistan. Das zeigt schon die absurde Situation." Immerhin sei Serbien ein Beitrittskandidat für die EU und kein Krisengebiet.

Innenminister Friedrich plädiert für schnelleres Asyl-Prüfverfahren

Nach Regierungsangaben dauern die Prüfverfahren beim Bundesamt für Migration im Schnitt ein bis zwei Monate. Wer aber den bis zu einjährigen Rechtsweg beschreite und sämtliche Instanzen ausschöpfe, bleibe inklusive der Verfahrenszeit schon mal 14 Monate im Land, sagte Schröder.

Friedrich fordert nun, schneller über die Asylanträge zu entscheiden. Ein Schnellverfahren binnen 48 Stunden wie in der Schweiz sei aufgrund der Rechtsmittelfristen wohl nicht möglich. "Aber Abwicklung innerhalb kürzestmöglicher Zeit bleibt das Ziel", sagte er.

EU-Asylsystem steht unter extremer Belastung

EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström räumte ein, dass es "sehr ernsthafte Bedenken in einigen Mitgliedstaaten" gebe. Damit meinte sie auch ihr eigenes Heimatland Schweden. Der von Stockholm entsandte Minister für Migration und Asyl, Tobias Billström, empörte sich in Luxemburg über "den extremen Stress, dem unser Asylsystem ausgesetzt wird". Durch die Überlastung blieben berechtigte Anträge länger liegen, was momentan vor allem Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien treffe, die dringend Schutz bräuchten.

Serbische Asylbewerber hätten in der Vergangenheit trotz einer stabilen Staatsordnung zahlenmäßig teils noch vor Somalia und Afghanistan gelegen, kritisierte Billström. Auch über Mazedonien, Armenien, Georgien und Aserbaidschan müsse gesprochen werden, forderte er vor dem Auftakt der Gespräche über einen gesetzlichen Notfall-Mechanismus gegen Asylmissbrauch.

Grüne kritisieren "technokratische Kälte gegenüber den Ärmsten"

Während Schröder nun das Europäische Parlament und die EU-Kommission in der Pflicht sieht, in den Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten möglichst schnell einen ebensolchen Mechanismus zu schaffen, regt sich in der Heimat Widerstand. Die Grünen warfen der Bundesregierung Populismus aus innenpolitischem Kalkül vor.

"Diese technokratische Kälte gegenüber den Ärmsten der Ärmsten in der EU, die kaum wissen, wie sie über den Winter kommen sollen, schockiert mich", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer Volker Beck. Wenn Friedrich von Asylbewerbern aus Serbien und Mazedonien spreche, dann meine er damit vor allem Roma.

Opposition erinnert Friedrich an "seine christlich-sozialen Werte"

Auch der Vize-Sprecher der SPD-Fraktion für Innenpolitik, Rüdiger
Veit, kritisierte Timing und Inhalt von Friedrichs Äußerungen. "Erst gestern
haben wir das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma
eingeweiht", erklärte Veit. "Und einen Tag später betreibt Innenminister
Friedrich erneut Wahlkampf auf dem Rücken serbischer und mazedonischer
Asylbewerber, unter denen viele Roma sind." Er wünsche sich, "dass sich der
Innenminister seiner christlich-sozialen Werte erinnert".

Friedrich hatte zuvor seine Forderung nach schärferen Regeln bekräftigt. Hintergrund der
Diskussion ist der starke Anstieg von Asylanträgen aus Serbien und Mazedonien,
deren Anerkennungsquote gegen null tendiert. (dapd/afp)