Hamburg. . Die Kultusminister der Länder wollen in fünf Jahren bundesweite Standards für die Abiturprüfungen einführen. Das umstrittene Zentralabitur wäre damit wohl vom Tisch. Ob es die NRW-Schüler bald schwer haben?
Beim Abitur sollen in Zukunft in allen 16 Bundesländern vergleichbare Anforderungen gelten. Diese Einigung der Kultusminister stieß bei Bildungsexperten, Politikern und Eltern auf breite Zustimmung. Vergleichbare Anforderungen bedeuteten „immer ein Stück mehr Gerechtigkeit“, sagte der Dortmunder Bildungsforscher Ernst Rösner. Auch NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) begrüßte die Regelung.
Vorerst sollen die Standards für die Kernfächer Deutsch, Mathematik, Englisch und Französisch gelten, die Naturwissenschaften folgen später. Die ersten Abiturprüfungen auf der Grundlage der Standards werden 2017 geschrieben. Dazu wird ein Aufgabenpool mit gleich schweren Aufgaben eingerichtet, aus dem sich die Länder bedienen können.
Der endgültige Abschied vom Zentralabitur?
Die Vorgaben sollen jetzt zügig in die Lehrpläne und Abiturvorgaben eingearbeitet werden, damit die Schüler gut vorbereitet werden können, sagte Löhrmann und betonte: „Damit ist die Debatte um ein bundesweites Zentralabitur hinfällig.“
Abiturienten und ihre Pläne
Vielen gilt das Zentralabitur als Ausweg aus dem Kleinstaaterei im Bildungswesen, wo 16 Bundesländer 16 Schulsysteme mit über einem Dutzend verschiedener Schulformen unterhalten. Doch das Zentralabitur hätte auch zur Folge, dass sämtliche Abiturienten ihre Klausuren am selben Tag schreiben müssten – und somit die Sommerferien in allen 16 Bundesländern zugleich beginnen würden. Zudem werde ein Zentralabitur den unterschiedlichen Bedingungen in den Bundesländern nicht gerecht, heißt es. Die Länderminister bestehen weiter auf ihre Bildungshoheit und setzen auf den Wettbewerb der Systeme.
Eltern erwarten beim Abitur bessere Vergleichbarkeit
Ähnlich sieht es die Interessenvertretung der Eltern: „Eine bessere Vergleichbarkeit ist richtig, wenn die Lehrpläne danach ausgerichtet werden“, sagt Barbara Kols-Teichmann von der Landeselternschaft der Gymnasien in NRW. „Doch ein Zentralabitur lehnen wir ab. Dazu müssten in den Ländern gleiche Voraussetzungen herrschen.“ Dass es in Zukunft die Schüler in NRW schwerer haben könnten, wenn die Abi-Standards bundesweit gelten, glaubt sie nicht. „Unsere Schüler sind gut vorbereitet.“ Es werde im Gegenteil dazu führen, das NRW-Abitur aufzuwerten.
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Immerhin bedeuten die Standards einen ersten Schritt auf dem Weg zu mehr Vergleichbarkeit beim Abitur in Deutsch, Mathematik, Englisch und Französisch. Die Kultus- und Schulminister wollen mit den neuen Vorgaben den Weg dazu ebnen. Es ist ein zäher Prozess, seit etwa 15 Jahren diskutieren sie darüber.
Ein Topf voll Aufgaben für alle
Die Bildungsstandards sollen Beispiele für mögliche Prüfungsaufgaben enthalten, um den Schulen Anregungen zu vermitteln, wie die Anforderungen im Abitur abgeprüft werden können. In einem zweiten Schritt sollen sich die Minister auf einen Aufgabentopf mit gleich schweren Aufgaben einigen, aus dem sich die Länder bedienen können.
„Gleichwertige Anforderungen und einheitliche Bildungsstandards sind sinnvoll“, urteilt auch Dorothea Schäfer, Landesvorsitzende der Lehrergewerkschaft GEW. Ein Zentralabitur lehnt auch sie ab: „Wir brauchen nicht gleiche Aufgaben, sondern die Freiheit, Lehrinhalte zu gestalten.“ Die Voraussetzung für bundeseinheitliche Standards seien gleiche Bedingungen für alle Schüler in den Ländern. Um dies zu erreichen, müsse sich der Bund einmischen.
Was ändert sich im Klassenzimmer?
Ob die politische Entscheidung den Unterricht in den Schulen tatsächlich verändern werde, sei fraglich, meint der renommierte Bildungsforscher Prof. Olaf Köller von der Uni Kiel. „Für die Schulen bedeutet es zunächst nicht viel. Es kommt darauf an, ob man die Standards durch Lehrerfortbildung und gute Konzepte auch in die Klasse bringt.“ Die Frage sei, ob die Standards in neue Unterrichtsmodelle mündeten, damit die Schüler ihr Ziel auch erreichen.