Berlin. Der Bundestagswahlkampf gewinnt zunehmend an Schärfe. Der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering warf der Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel vor, ihr sei die Arbeitslosigkeit egal. CDU-Vize Roland Koch nannte Münteferings Vorwurf "unanständig".

Sechs Wochen vor der Bundestagswahl ist der Ton im Wahlkampf scharf geworden: Die SPD griff Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Wochenende mehrfach persönlich wegen ihrer Arbeitsmarkt- und Steuerpolitik an. Während SPD-Chef Franz Müntefering Merkel vorhielt, die große Zahl der Arbeitslosen in Deutschland sei ihr «egal», warf SPD-Herausforderer Frank-Walter Steinmeier der Kanzlerin Unehrlichkeit vor.

Merkel habe Steuersenkungen versprochen, «die nicht kommen werden», kritisierte Steinmeier in der ARD. Gleichzeitig sage sie nichts zu der Debatte um eine Abschaffung des Solidarzuschlags. Das zeige, dass die CDU vor der Wahl nicht sage, was sie nach der Wahl vorhabe. «Ehrlichkeit sieht für mich anders aus», fügte Steinmeier hinzu. Die SPD liegt in den Umfragen weit hinter der Kanzlerin. Laut einer Emnid-Befragung im Auftrag der «Bild am Sonntag» rechnen nur noch neun Prozent der Menschen damit, dass Steinmeier Bundeskanzler wird.

Roland Koch nennt Münteferings Vorwurf "unanständig"

Müntefering sagte der «Bild am Sonntag», Merkel interessiere sich vor allem für ihre eigene Karriere und weniger für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Sie habe «von Anfang an eine Politik unter der Maßgabe gemacht: Was muss ich tun, damit ich Kanzlerin bleibe? Sie hat nicht zuerst gefragt: Was ist gut und nötig fürs Land?» CDU-Vize Roland Koch nannte den Vorwurf «unanständig» und sprach von einem «Ausraster» und einer «Entgleisung» Münteferings. Merkel arbeite nahezu ununterbrochen, um Deutschland durch die Krise zu steuern und Arbeitsplätze zu retten, sagte Koch dem «Hamburger Abendblatt» vom Montag.

Müntefering verwies darauf, dass die SPD mit dem Deutschland-Plan ihre Vorstellungen auf den Tisch gelegt hätte. Darin werden Vollbeschäftigung und die Schaffung von vier Millionen neuen Arbeitsplätzen bis zum Jahr 2020 in Aussicht gestellt.

Merkel bekennt sich zum Ziel Vollbeschäftigung

Auch Merkel bekannte sich am Wochenende zum Ziel der Vollbeschäftigung. Auf einer Parteiveranstaltung in Hildesheim sagte sie: «Unser Ziel, auch wenn es nicht einfach zu erreichen ist, heißt: Arbeit für alle». Basis dafür sei Wachstum.

Angesichts der Wirtschaftskrise verteidigte Merkel zudem höhere Haushaltsdefizite. Neue Schulden müssten in Kauf genommen werden, um Wachstum anzustoßen, sagte sie dem «Focus». Die von der Union versprochenen Steuererleichterungen nannte die CDU-Parteichefin eine «Motivation» für die Arbeitnehmer.

Nach dem Deutschland-Plan der SPD will am Montag auch die FDP ein eigenes Konzept zur Bewältigung der Wirtschaftskrise beschließen. Der Schwerpunkt des Papiers liege auf Innovation und Forschung, sagte ein Parteisprecher am Samstag.

Unterdessen sorgte ein Konzept von Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), wonach die Unternehmen kräftig entlastet werden sollen, auch am Wochenende für Wirbel. Ein Ministeriumssprecher betonte allerdings, das Papier sei «eine längst überholte Stoffsammlung und obsolet». Der «Frankfurter Rundschau» vom Samstag zufolge will Guttenberg den Firmen wieder mehr Freiräume bei der Steuererklärung einräumen und plädiert für «strukturelle Reformen im Gesundheitswesen». SPD-Umweltminister Sigmar Gabriel warf dem Ministerkollegen vor, die Lasten der Wirtschaftskrise auf Arbeitnehmer und die Umwelt abwälzen zu wollen. Die Linke nannte das Papier ein «Dokument der sozialen Kälte». (afp/ddp)