Berlin. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) will bis Anfang kommenden Jahres seine politischen Ämter niederlegen. Beck kündigte am Freitagabend in Mainz an, als Regierungschef und SPD-Landesvorsitzender aus gesundheitlichen Gründen zurückzutreten. Es ist das Ende einer rekordträchtigen Laufbahn. Mit Beck scheidet nach 18 Jahren der dienstälteste Ministerpräsident aus dem Amt.
Der Zeitpunkt zumindest ist denkwürdig. Am selben Tag, an dem seine Partei in Berlin sich endlich zur Ernennung eines Kanzlerkandidaten durchringt, kündigt in Mainz Kurt Beck den Rückzug aus seinen Ämtern an. Erinnerungen werden wach.
Beim vorigen Mal, als Beck spektakulär hinschmiss, vor gut vier Jahren am brandenburgischen Schwielowsee, war schließlich eine Kandidatenkür der direkte Anlass. Vorzeitig war bekannt geworden, dass sich SPD-Granden auf Frank-Walter Steinmeier als Herausforderer Angela Merkels verständigt hatten. Der Parteichef Beck fühlte sich düpiert und zog die Konsequenzen.
Nürburgring-Affäre machte Beck angreifbar
Anders als damals kommt der Abgang in Mainz jetzt unerwartet. Zwar war Beck längst nicht mehr der unantastbare Herrscher von Rheinland-Pfalz, als der er sich jahrelang gefiel. Die Landtagswahl Anfang 2011 hatte seiner Partei ein demütigendes Zehn-Punkte-Minus und ihm selbst den Zwang zur Koalition mit den Grünen beschert. Die Affäre um die Freizeitpark-Pleite am Nürburgring vergällte ihm nachhaltig das Regieren.
Dennoch schien Beck zum Durchhalten entschlossen. Vor einem Monat erst ging er aus einer von der christdemokratischen Opposition angezettelten Misstrauens-Abstimmung im Landtag siegreich hervor. Im Sommer hatte er angekündigt, sich auf dem SPD-Landesparteitag im November erneut um den Vorsitz zu bewerben und als Ministerpräsident bis 2016 im Amt zu bleiben, sofern es seine Gesundheit zulasse. Das ist offenbar nicht der Fall. Beck begründete seinen Schritt mit gesundheitlichen Problemen. Er habe eine Erkrankung an der Bauchspeicheldrüse. "Das ist sehr ernst zu nehmen", sagte Beck. Er habe gespürt, dass "meine gesundheitliche Kraft sehr angegriffen ist." Die Diagnose sei im Winter gestellt worden.
Der Abschluss einer rekordträchtigen Laufbahn
Es ist der Abschluss einer rekordträchtigen Laufbahn. Mit Beck scheidet nach 18 Jahren der dienstälteste Ministerpräsident aus dem Amt. Nur Johannes Rau in NRW konnte am Ende auf zwei Jahre mehr zurückblicken. Vier Landtagswahlen hat Beck bestanden.
Seit 2006, als die Grünen den Einzug ins Parlament verfehlten, regierte er fünf Jahre sogar mit absoluter Mehrheit. Und das in dem als strukturell konservativ geltenden Stammland Helmut Kohls. Erst der Vorgänger Rudolf Scharping hatte 1991 die schwarze Hochburg für die SPD erobert und drei Jahre später an Beck vererbt, als er selber als Oppositionsführer nach Bonn ging.
Immer „nah bei de Leut“
Dass ein Wechsel von der Landes- in die Bundespolitik riskant ist, diese Erfahrung blieb wie Scharping auch Beck nicht erspart. Das Gastspiel in der Rolle des SPD-Bundesvorsitzenden endete kläglich. Die unbeholfenen öffentlichen Auftritte, die täppischen und halbherzigen Versuche, die SPD nach den Schröder-Jahren wieder mehr auf Linkskurs zu manövrieren, fanden nicht den Beifall des Berliner Publikums. Derlei war Beck aus Mainz nicht gewöhnt; es stimmte ihn verdrießlich. Umso warmherziger schlossen ihn nach der Demütigung am Schwielowsee die Genossen in Rheinland-Pfalz wieder in die Arme und trösteten ihn bei der Wiederwahl zum SPD-Landeschef mit einem 99-Prozent-Ergebnis. Hier an Rhein und Mosel kannte Beck jeden Bürgermeister. Hier durfte er sein, wie er sich am liebsten gab, „nah bei de Leut“.
Für Becks Volksnähe stand auch jene Episode im Dezember 2006, die ihn zum Helden des deutschen Boulevards werden ließ, die Begegnung mit dem Arbeitslosen Henrico Frank auf dem Wiesbadener „Sternschnuppenmarkt“. Der Mann hatte den SPD-Chef wegen der Hartz-Gesetzgebung angepflaumt. „Wenn Sie sich waschen und rasieren, haben Sie in drei Wochen einen Job“, blaffte Beck zurück.
Malu Dreyer ist Favoritin auf die Nachfolge
Marie-Luise Dreyer (51), Sozialministerin, gilt als Favoritin auf die Beck-Nachfolge. Seit 20 Jahren leidet Dreyer an Multipler Sklerose. Sie saß zeitweise im Rollstuhl. Die in der SPD sehr beliebte Politikerin wohnt in Trier mit ihrem Mann Klaus Jensen und dessen drei Kindern. Becks Amt als Vorsitzender der rheinland-pfälzischen SPD will Beck im November aufgeben. Auf einem Parteitag am 10. November in Mainz soll Innenminister Roger Lewentz zum neuen Parteichef gewählt werden. (mit dapd)