Berlin. . Prominente Katholiken und Protestanten fordern die Überwindung der Kirchenspaltung. Sie stellten am Mittwoch in Berlin einen Appell für Fortschritte in der Ökumene vor. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD), Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken, sagte, der Aufruf sei ein „Ausdruck unserer Ungeduld mit dem Zustand der ökumenischen Bemühungen“.
„Wir Protestanten“, sagt Richard von Weizsäcker, der langjährige Kirchentags- und einstige Bundespräsident, und gibt seiner Ergriffenheit Ausdruck: Dass jetzt katholische Laien eine Initiative für die Einheit der Konfessionen in Gang gebracht hätten, „das ist wirklich ein neuer Sonnenaufgang“. Umso mehr, als römische Verlautbarungen zum Thema in der Regel „nicht besonders ermutigend“ seien: „Das hat uns wirklich besonders berührt.“
Neben Weizsäcker auf dem Podium sitzen an diesem Tag der Präsident und ein Vizepräsident des Bundestages, der Verteidigungsminister, eine ehemalige Bundestagsvizepräsidentin, ein früherer bayerischer Kultusminister, prominente Katholische und Evangelische, die gemeinsam einen Aufruf unterzeichnet haben: „Ökumene jetzt,“ fordern sie.
Zeichen der Ungeduld
Den im Oktober bevorstehenden 50. Jahrestag des Zweiten Vatikanischen Konzils und den Ausblick auf das Reformationsjubiläum 2017 nehmen sie zum Anlass eines Appells an die Kirchenoberen: Bewegt euch! Strengt euch an, um die Trennung zu überwinden! „Es gibt zweifellos Unterschiede zwischen den Kirchen“, sagt der Katholik und Bundestagspräsident Norbert Lammert. „Die Schlüsselfrage ist, ob diese Unterschiede die Aufrechterhaltung der Trennung rechtfertigen.“ Natürlich nicht, finden er und seine Mitstreiter.
„Dieser Aufruf ist gewiss ein Zeichen unserer Ungeduld mit den ökumenischen Bemühungen“, sekundiert Lammerts sozialdemokatischer Vize Wolfgang Thierse, auch er Katholik. Und er kritisiert „manche Kirchenobere“, die „die ökumenischen Differenzen eher verwalten als sie mit erheblicher Anstrengung zu überwinden suchen“.
„Was im Ruhrgebiet alles passiert“
Den Gedanken der Ökumene „vor Ort zum Leben zu erwecken“, damit sei man, meint Günter Brakelmann, protestantischer Theologieprofessor aus Bochum, „unten“ beim Kirchenvolk schon viel weiter als in der Führungsetage: „Wenn ich erzähle, was im Ruhrgebiet alles passiert, da geht mir das Herz auf. Wenn ich nach oben gucke, wird mir schwindlig.“
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Was erwarten die Initiatoren? Sie haben es bewusst vermieden, einen Forderungskatalog aufzustellen. Was sie indes umtreibt, ist mehr als ein allgemeines Unbehagen. Der Protestant Thomas de Maizière wirft der katholischen Kirche „unbarmherzigen Umgang mit gemischt-konfessionellen Ehen“ vor und beklagt, dass es in seinem Herkunftsland Sachsen nicht gelungen sei, einen gemeinsamen christlichen Religionsunterricht anzubieten.
Das dogmatische Schwert
„Was aufhören muss, ist das dogmatische Schwert“, sagt die Grüne Antje Vollmer. Dass die Kirchen sich in den äußeren Formen wie im Verständnis mancher theologischer Inhalte voneinander unterschieden, dürfe die Christen nicht länger daran hindern, gemeinsam die Kommunion oder das Abendmahl zu empfangen. „Wichtig wäre, dass die Evangelischen ihre Katholizität entdecken und die Katholiken ihr evangelisches Potenzial“, meint der frühere bayerische Kultusminister Hans Maier. „Und dass beide sich von der Spiritualität der Orthodoxie inspirieren lassen.“