Berlin. Der Ethikrat beschäftigt sich am Donnerstag mit religiösen Beschneidungen von Jungen. Hintergrund ist ein Urteil des Kölner Landgerichts, dass die Beschneidung als strafbare Körperverletzung gewertet hat. Ein Strafrechtler und der stellvertretende Vorsitzende des Ethikrats sprechen sich für Betäubungen aus.

Vor einer Beratung des Ethikrats über religiöse Beschneidungen von Jungen mehren
sich die Stimmen für eine rechtliche Regelung mit Betäubungsvorschrift. Der im
Ethikrat vertretene Strafrechtler Reinhard Merkel sagte am Donnerstag im
Deutschlandfunk, eine solche Verpflichtung werde man auch der jüdischen
Religionsgemeinschaft zumuten müssen.

Der Experte wies darauf hin, dass es sich
bei der geplanten Regelung zwar um ein religiöses Sonderrecht handele. Es gehe
aber "ganz primär" um das elterliche Sorge- und Erziehungsrecht. Der Strafrechtler prognostizierte, dass das Bundesverfassungsgericht sich aus
dem Thema heraushalten wird. Zur Begründung verwies er auf die bisherige
Hinnahme der Beschneidungspraxis und die Drohung jüdischer Bürger, im Falle
eines Verbots das Land zu verlassen.

Auch der stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Peter
Dabrock, sprach sich in einem Interview der Nachrichtenagentur dapd für
"nachgewiesen wirksame schmerztherapeutische Maßnahmen" bei einer Beschneidung aus. Dagegen regt sich bislang von
jüdischer Seite Widerspruch.

Im Herbst soll Vorschlag für gesetzliche Regelung stehen

Der Ethikrat beschäftigt sich am Donnerstag in einer
öffentlichen Sitzung mit dem Thema Beschneidung
minderjähriger Jungen aus religiösen Gründen
. Mehrere Ratsmitglieder wollen in
Referaten strafrechtliche, religiös-kulturelle, medizinische und ethische
Aspekte der Beschneidung in den Blick nehmen und
im Plenum zur Diskussion stellen. Das Kölner Landgericht hatte Ende Juni die
Beschneidung von Jungen als strafbare
Körperverletzung gewertet
, selbst wenn die Eltern einwilligen. Unter Juden und
Muslimen sorgte das Urteil weltweit für Kritik und Verunsicherung.

Der ehemalige Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in
Deutschland, Altbischof Wolfgang Huber, warb im ZDF-"Morgenmagazin" dafür, diese
Frage "in Ruhe zu diskutieren". Ein Ausweg aus dem Streit "wäre,
sicherzustellen, dass die Belastung für das Kind so gering wie möglich ist".
Huber mahnte zugleich, man könne sich nicht einfach darüber hinwegsetzen, wenn
sich jüdische Eltern dem religiösen Gebot der Beschneidung verpflichtet fühlten.

Das Bundesjustizministerium hatte am Mittwoch angekündigt, im Auftrag
des Bundestags im Herbst einen Vorschlag für eine gesetzliche Regelung
vorzulegen. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) hatte ebenfalls für
eine "angemessene Betäubung bei der Beschneidung"
plädiert.

Ein Kompromiss sei möglich, sagt Dabrock

Dabrock betonte, ein Kompromiss im Beschneidungsstreit sei möglich.
Die vom Bundestag angestrebte gesetzliche Regelung müsse "einen Ausgleich
zwischen medizinischen und rituellen Erfordernissen" schaffen. Dabrock betonte,
das Urteil des Kölner Landgerichts zu religiösen Beschneidungen sei "unglücklich
und unsensibel". Die Debatte der vergangenen Wochen zeige, dass "der
Rechtsfrieden massiv angegriffen ist". In der Urteilsbegründung werde die
"existenzielle Bedeutung von Religion überhaupt nicht geachtet".

Das Direktoriumsmitglied des Zentralrats der Juden in Deutschland,
Leo Latasch, zeigte sich unterdessen entsetzt über das Diskussionsniveau beim
Thema Beschneidung. Ihn habe "völlig überrascht",
wie massiv "offener Antisemitismus und offener Antiislamismus" zu Tage getreten
seien, sagte Latasch in einem dapd-Interview. Zahlreiche Äußerungen in E-Mails,
Briefen und in Blogs seien "richtig unter die Gürtellinie" gegangen. Unter
anderem seien alte Ressentiments wie das des Kinderschänders wiederbelebt
worden.

Latasch, der ebenfalls Mitglied Ethikrates ist, sagte, das
Beschneidungsgebot sei "substantiell" für die jüdische Religion. Der
Medizinprofessor unterstützte den Vorschlag des israelischen Oberrabbiners, Yona
Metzger. Danach könnte in Deutschland ein jüdischer Beschneider, ein sogenannter
Mohel, von Ärzten ausgebildet werden. Die Fähigkeiten eines Beschneiders
ärztlich prüfen zu lassen, sei "selbstverständlich" ein gangbarer Weg, sagte
Latasch. "Wir wären die letzten, die sagen, Nein, das lassen wir nicht zu",
fügte das Zentralrat-Direktoriumsmitglied hinzu. (dapd)