Berlin. . Der Fraktionschef dürfte die Partei 2013 in den Wahlkampf führen. Um den zweiten Spitzenplatz konkurrieren drei Frauen. Eine Urwahl ist wahrscheinlich. Chancen haben: Parteichefin Claudia Roth, Fraktionschefin Renate Künast und Katrin Göring-Eckardt, die Bundestagsvizepräsidentin ist.
Er genießt und schweigt. Es spricht viel dafür, dass die Grünen per Urwahl entscheiden werden, welches Duo sie 2013 in den Wahlkampf führen wird und dass Jürgen Trittin dabei quasi gesetzt ist. Die Demoskopen von Forsa haben die Anhänger schon gar nicht mehr nach dem Fraktionschef befragt, sondern nur noch nach der Kandidatin an seiner Seite. So unangefochten war der 58-Jährige selten. Der Mann hat Konjunktur, Trittins Themen – die Euro-Krise und die Energiewende – auch.
Zuletzt hat sich die Idee einer großen „Teamlösung“ erledigt. Um zwei Plätze ringen neben Trittin noch drei prominente Frauen: Parteichefin Claudia Roth, Fraktionschefin Renate Künast und Katrin Göring-Eckardt, die Präses der evangelischen Kirche und Bundestags-Vizepräsidentin ist.
Parteichef Özdemir ist außen vor
Parteichef Cem Özdemir bleibt außen vor. Seine Agenda: Amt verteidigen und für den Bundestag kandidieren. Statt einer aussichtslosen Konkurrenz zu Trittin sichert er seine Macht durch Verzicht ab. Auch das geht. Außerdem ist er nur 46 Jahre alt. Özdemir hat Zeit.
Zur selben Altersklasse zählt Göring-Eckardt. „Ich gehöre zu den 89ern, der ersten gesamtdeutschen Generation“, wirbt die Thüringerin in der „Zeit“ für sich. Sie ist zehn Jahre jünger als Roth, Künast und Trittin, kommt aus dem Osten und gehört nicht zur grünen Gründergeneration. Etwa 45 Prozent der 60 000 Mitglieder der Partei stießen überhaupt erst nach 2005 dazu. Sie haben mit den Alt-68ern wenig zu tun, womöglich spielt es für sie auch nicht so eine Rolle, wer welchen Flügel vertritt.
Das ist die Hoffnung der Frau aus dem Osten, die zu den „Realos“ gehört. Laut Forsa sind nur 18 Prozent der Anhänger für sie, aber 29 Prozent für Roth und 42 Prozent für Künast. Das markiert eine Ausgangsposition, mehr nicht. Am 2. September fällt im Länderrat – ein kleiner Parteitag – die Entscheidung, ob es zu einer Urwahl kommt. Alle erwarten das, weil es eine Frage der Glaubwürdigkeit ist.
Anfang des Jahres hatte man das Verfahren für den Fall in Aussicht gestellt, dass mehr als zwei Leute antreten wollen. Gerade eine Partei, die Basisdemokratie hochhält, muss dazu stehen. Inhaltlich liegen alle nicht weit auseinander; die Koalitionsfrage (Rot-Grün) ist auch Konsens. Es geht um Personen, um individuelle Stärken (Roth: „Ich kann polarisieren“), um Macht, was legitim ist, aber bei den Grünen oft kaschiert wurde.
Künasts Stolz und Roths Offenheit
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Alle vier wahren mit einer Kandidatur ihre Chancen, Minister zu werden oder die Fraktion zu führen. Für Künast dürfte auch Stolz eine Rolle spielen. Bei der Landtagswahl in Berlin schnitt ihre Partei zwar ganz gut ab, aber blieb mit Künast als Kandidatin unter ihren Möglichkeiten. Seither ist Künast geschwächt. Deswegen kam es gerade bei ihrer Bewerbung auf den Ton an: „Ich habe viel nachgedacht, auch über meine Fehler.“
Trittin kommt vom linken Flügel, erwarb sich jedoch den Respekt der Realos. Dem Vernehmen hätten sie ihn als alleinigen Spitzenkandidaten akzeptiert. Roth ist wiederum für alles offen, nur nicht für eine Solonummer eines Mannes. Also überließ die Linke das Feld nicht Trittin. Denkbar wäre eine weibliche Doppelspitze. Realistischer ist aber, dass Trittin und eine Frau das Rennen machen, eine Reala wie Künast oder etwa Göring-Eckardt? Nach dem Temperament machen sich Roth und Künast Konkurrenz und nach dem Parteiproporz – Göring-Eckardt und Künast. Sie kommen aus dem selben Flügel. Ausgang offen.
Im Idealfall machen die Grünen mit der Urwahl Werbung in eigener Sache. Auf Bundesebene wären sie die erste Partei, die ihren Spitzenkandidaten von den Mitgliedern wählen lässt.