Hamburg. . Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz ist der einzige Landeschef, der mit absoluter Mehrheit seiner Partei regiert. Er zieht ruhige Arbeit im Hintergrund dem lauten Auftritt vor. Trotzdem bezieht er klar Stellung - zum Beispeil zum Kauf von CDs mit Daten von Steuersündern. Kann er das Vorbild für die Bundes-SPD sein?

Olaf Scholz steht auf dem Balkon des altehrwürdigen ­Hamburger Rathauses und erläutert dem Besucher das Panorama: hier die Binnenalster, der Jungfernstieg, da der Vorplatz, der Venedig nachempfunden sei. Unser Fotograf drückt begeistert den Auslöser: „Wann hat man den Bürgermeister schon mal auf dem Balkon?!“

Tatsächlich ist Olaf Scholz – ­Sozialdemokrat und seit März 2011 Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg – kein Freund des großen Auftritts. Sein Motto: „Ich mache keine ­Politik für die Bühne, sondern für die Realität.“ Arbeit statt Show. Die FAZ nannte ihn einmal den ­„Anti-Guttenberg“.

Eine Devise, die sich im poli­tischen Handwerk des 54-Jährigen widerspiegelt, seit er für die SPD die absolute Mehrheit in Hamburg holte. Scholz beteiligt sich am rechtlich und politisch umstrittenen Kauf von Daten deutscher Steuersünder in der Schweiz – anders als NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) feiert er sich jedoch nicht lautstark als moderner Robin Hood, sondern bleibt im Hintergrund. In der Sache ist er eindeutig, Kritik an dem Daten-Deal weist er zurück: „Wir sind der festen Ansicht, dass wir in einem solchen Fall rechtmäßig handeln.“

Lange Karriere in der SPD

Zwar bezieht auch Scholz klar Stellung, wenn es um das Verhalten der Schweizer Banken in der Angelegenheit geht – doch anders als SPD-Chef Sigmar Gabriel, der den Bankern „organisierte Krimi­nalität“ vorwarf, greift er nicht zum verbalen Vorschlaghammer

Olaf Scholz, gelernter Jurist, hat für die SPD schon so ziemlich alles gemacht, was eine Partei-Karriere zu bieten hat. Er war Innensenator in Hamburg und Arbeitsminister der Großen Koalition im Bund, wo er die Kurzarbeiterregelung auf den Weg brachte, die maßgeblich zur Überwindung der Wirtschaftskrise 2008/09 beitrug. Er war Juso-Vize-Chef, Abgeordneter und ­später SPD-Fraktionsmanager im Bundestag, Generalsekretär der Bundespartei. Aus jener Zeit stammt auch der Beiname „Scholzomat“ – keiner konnte auf ­Kommando die üblichen Antwort-Phrasen auf Journalistenfragen so routiniert abspulen wie Scholz.

In seinen knapp eineinhalb ­Jahren als Erster Bürgermeister in Hamburg hat er es geschafft, das Image des Langweilers abzulegen und sich stattdessen als unprätentiöser und pragmatischer Macher zu profilieren. So legte er für die ständig wachsende Metropole an der Elbe ein Programm für 6000 neue Wohnungen auf: „Wohnen soll auch in Zukunft bezahlbar sein. Jeder, der in Hamburg leben will, soll eine Wohnung finden.“ Der Erfolg dieser Art von Politik zeigt sich auch in Umfragen, die die absolute SPD-Mehrheit bestätigen.

Das Erfolgsrezept

Ein Erfolg, von dem Gabriel, Steinbrück und Steinmeier, die nächstes Jahr Angela Merkel im Kanzleramt ablösen wollen, nur träumen können. Welcher aus dem Trio als Kandidat ins Rennen gehen soll? Dazu lässt sich Scholz – ganz Parteisoldat – keinen eindeutigen Kommentar entlocken. Klar ist aber, dass er als Vize-Parteichef der Bundes-SPD ein gewichtiges ­Wörtchen mitreden wird.

Zumindest verrät Scholz sein Hamburger Erfolgsrezept, das sich auch übertragen lasse: Man müsse das ­„partnerschaftliche Verhältnis“ zur Wirtschaft pflegen, ohne dabei das Miteinander in der Gesellschaft zu vernachlässigen. Und nicht zuletzt: Wichtig sei, dass eine Regierung „professionell arbeitet, dass dies bei den Bürgerinnen und Bürgern auch so ankommt“.

Nach 37 Jahren in der Politik hat Scholz als Hamburger Bürgermeister seine politische Bestimmung gefunden. Für ihn ist es die perfekte Mischung aus Macht und Understatement. Und ­Auftritte auf dem Balkon sollen Ausnahmen bleiben.