Berlin. An den Rentenplänen von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) regt sich massiver Wiederstand. Bei den Änderungen sollen vor allem Kindererziehung und Pflege von Angehörigen berücksichtigt werden. Das Wirtschaftsministerium legte Einspruch gegen die Pläne ein. Nicht die einzigen Kritiker.
Kaum hat das Arbeitsministerium das Rentenpaket zur Beratung an die übrigen Mitglieder der Bundesregierung gegeben, regt sich Widerstand. Am Donnerstag legte das Wirtschaftsministerium unter Führung von Philipp Rösler (FDP) Einspruch gegen die Rentenpläne von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) ein. In seltener Eintracht kritisierten FDP, Grüne, der Deutsche Gewerkschaftsbund sowie Sozialverbände das Vorhaben.
Von der Leyen will Beschäftigte und Unternehmen mit einem niedrigeren Rentenbeitrag entlasten sowie Altersarmut abbauen. Wer lange gearbeitet hat und dennoch nur einen geringen Rentenanspruch hat, soll künftig unter bestimmten Bedingungen eine Zuschussrente erhalten. Mindestens ein Jahr Kindererziehung oder Pflege von Angehörigen sollen zusätzliche Vorteile bringen. Gleichzeitig soll der Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung Anfang 2013 von derzeit 19,6 auf 19,0 Prozent gesenkt werden.
Bundeswirtschaftsminister Rösler kritisiert von der Leyens Rentenpläne
Am Mittwoch hatte von der Leyens Haus den Entwurf in die Ressortabstimmung gegeben. Eigentlich soll das Kabinett am 29. August entscheiden.
Ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums bestätigte am Donnerstag auf dapd-Anfrage allerdings einen Bericht der Tageszeitung "Die Welt" am Freitag, wonach das Ministerium Einspruch gegen die Pläne eingelegt hat. Als Grund nannte er zum einen die knappe Beratungszeit sowie die geplante Verknüpfung von Beitragssenkung und Zuschussrente in dem Gesetzespaket.
Der Beitrag könne auch isoliert sinken, ohne die vom Arbeitsministerium vorgesehene Zuschussrente. Laut Gesetz kann der Beitragssatz dann sinken, wenn in den Rentenkassen eineinhalb Monatsausgaben als Reserve angespart sind.
Rentenpläne könne eine Anreiz schaffen, nicht zu arbeiten
Auf Kritik stößt zudem das Vorhaben, Erziehungs- und Pflegezeiten stärker zu berücksichtigen. FDP-Generalsekretär Patrick Döring sagte den Dortmunder "Ruhr Nachrichten", die Anrechnung von nicht erbrachten Beitragsleistungen führe zu zusätzlichen Kosten in der Rentenversicherung und höheren Beitragssätzen. Das beste Mittel zur Vermeidung von Altersarmut seien Freibeträge für private und betriebliche Altersvorsorge. So würden eigene Anstrengungen belohnt.
Der Grünen-Rentenexperte Wolfgang Strengmann-Kuhn äußerte hingegen die Befürchtung, die Ausgestaltung der Zuschussrente könne einen Anreiz schaffen, nicht zu arbeiten. "Die Anrechnung der Kindererziehungszeiten klingt gut, macht die Zuschussrente aber zu einer Art Herdprämie", sagte er der "Berliner Zeitung". Für Elternteile, die zwischen 800 und 2.000 Euro verdienten, lohne sich das Arbeiten mit Blick auf die Rente kaum.
Vorhaben gehe an der Lebenswirklichkeit von Frauen vorbei
Die Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland, Ulrike Mascher, beklagte, das Vorhaben gehe an der Lebenswirklichkeit von Frauen vorbei. Es werde suggeriert, dass Frauen, die Kinder erzogen und Angehörige gepflegt haben, nun automatisch Anspruch auf 850 Euro Rente hätten. Doch diese Summe sei aber nur der Maximalanspruch.
Der Deutsche Paritätischen Wohlfahrtsverband kritisierte, das Gesetz biete bestenfalls eine "Sozialhilfe plus". Die Hürden, um die Zuschussrente zu erlangen, seien so hoch gelegt, dass die neue Leistung ins Leere laufen müsse, sagte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider den "Ruhr Nachrichten".
DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach bekräftigte unterdessen ihre Forderung, auf die Senkung der Rentenbeitragssätze zu verzichten und die Mittel in die Bekämpfung der Altersarmut zu investieren. Es sei absolut unverantwortlich, die Rücklagen der Rentenversicherung aufzubrauchen "und sie nicht zur Bekämpfung der drohenden Altersarmut einzusetzen", betonte sie. (dapd)