Berlin. Forscher der FU Berlin haben nach den politischen und historischen Kenntnissen an NRW-Schulen gefragt. Das Wissen ist schlechter als in anderen Ländern. Besonders in der Ära der “alten Bundesrepublik“ bis 1990 offenbaren viele NRW-Schüler deutliche Wissenslücken.
Deutschland ist in den letzten einhundert Jahren von zwei sehr unterschiedlichen Diktaturen geprägt worden. Doch: Haben Nationalsozialismus und die SED-Herrschaft in der DDR Spuren im politischen und Geschichtsunterricht der Klassenstufen neun und zehn hinterlassen? Wie groß ist das Wissen der Schüler über Vergangenheit und Gegenwart? Wie wirkt der Unterricht auf das Wissen der Nachgewachsenen?
Die Forschergruppe um den Berliner Professor Klaus Schroeder vom Forschungsverbund SED-Staat hat dies bundesweit an mehr als 5000 Schülern untersucht. In NRW war das in Städten wie Köln, Dortmund oder Oberhausen. „Wir haben über eineinhalb Jahre hinweg dreimal die Schulklassen besucht“, erzählt seine Mitarbeiterin Dagmar Schulze Heuling. „Wir konnten für jeden Schüler einzeln feststellen, wie die Personen sich entwickelt haben“.
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Das Positive vorweg: Der Lernfortschritt vom Beginn der neunten Klasse an war bei Schülern von Gesamtschulen oder mit Migrationshintergrund nicht schlechter als bei den anderen. Im Gegenteil.
Die schlechte Nachricht: „Der Kenntnisstand der nordrhein-westfälischen Schüler ist besonders kritisch zu bewerten. Der Schulunterricht führt nur zu einem geringen Wissenszuwachs“, heißt es im Report, der mit den anderen Bundesländern vergleicht.
Das Wissen über die historischen Phasen unterscheidet sich.
Die NS-Zeit
Tatsächlich haben die Untersuchungen ergeben, dass das meiste Wissen über den Nationalsozialismus angesammelt wird – was durchaus zu Kuriositäten führt: So ist der SS-Führer Heinrich Himmler bekannter als der frühere Außenminister Hans-Dietrich Genscher. Am Ende konnten die NRW-Schüler hier 53,5 Prozent der Wissensaufgaben lösen.
Die „Alt-Bundesrepublik“
Sie gilt als „Black Box“ der Geschichte. Man weiß wenig über die Zeit bis 1990. 37 Prozent der Schüler hatten am Ende ein positives Bild. 42 Prozent der Fragen wurden richtig beantwortet.
Die DDR
Hier hat sich der Unterricht bemerkbar gemacht. Zu Beginn der Stufe neun hatten 30,5 Prozent ein neutrales Bild vom „anderen Deutschland“ im Osten, 13 Prozent sogar ein positives. Das hat sich bis zum Ende der Stufe zehn verändert: Dann hielten 70,5 Prozent den Arbeiter-und-Bauern-Staat für negativ. Die Zahl der richtig beantworteten Wissensfragen stieg in dieser Zeit immerhin von 28,9 auf 35,3 Prozent. Die DDR bleibt damit den nordrhein-westfälischen Schulklassen aber immer noch fremd.
Deutschland heute
Das Wissen zur Gegenwart ist bei weitem nicht so umfangreich wie das über den Nationalsozialismus. 49 Prozent der Schüler können die Fragen beantworten. Wie wichtig dabei der Einfluss der aktuellen Ereignisse ist, zeigt sich am Beispiel des Ex-Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg, der zum Zeitpunkt der Befragung wegen seiner Doktorarbeit in allen Schlagzeilen war. Er ist deshalb den Schülern besonders bekannt. Insgesamt haben die NRW-Schüler einen positiven Eindruck von Einheits-Deutschland. 86,2 Prozent finden das jedenfalls.