Berlin. . Eine heikle Personalfrage bei den Grünen entzweit Fundis und Realos, Männer und Frauen: Wer soll das Spitzen-Duo bei der Bundestagswahl 2013 bilden? Insbesondere bei den Posten für die Frauen tobt ein heftiger Machtkampf, den keine der Rivalinnen verlieren will.

Liebe Parteifreunde? Von wegen! Für Höflichkeitsfloskeln haben die elf Grünen-Frauen aus dem Bundestag keinen Platz vergeudet. Das zeigt ihr geharnischter Protestbrief, den sie am Donnerstag an den Bundesvorstand schickten. Die Attacke zielt auf „einige wenige Männer“ der Grünen, die öffentlich darüber sinniert hatten, welche Frau das Zeug zur Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl hat.

Die erzürnten Frauen nennen zwar keine Namen, doch das ist auch nicht nötig. Konkret geht es um Grüne wie etwa den Oberrealo Boris Palmer oder Bayerns Landeschef Dieter Janecek, die sich unlängst für Katrin Göring- Eckardt aussprachen.

Der Wutbrief, initiiert von Fraktionsvize Kerstin Andreae, ist ein neuer Höhepunkt im Zwist um die Spitzenpositionen für die Bundestagswahl im Herbst 2013. Seit Monaten streiten die Grünen über das Personal – und zwar in einer Weise, dass die Öffentlichkeit das Kandidatentheater dank vieler Wortmeldungen und noch mehr Indiskretionen auch in allen Facetten mitbekommt.

Gemischtes Doppel

Vorgesehen ist eigentlich, dass die Grünen mit einer gemischten Doppelspitze antreten. Beim Männerplatz sind die Fronten praktisch geklärt. Fraktionschef Jürgen Trittin ist der starke Mann der Grünen und gilt als gesetzt. Parteichef Cem Özdemir hat längst durchblicken lassen, dass er gegen Trittin nicht antreten möchte.

Dafür tobt der Streit um den Frauen-Posten umso heftiger. Parteichefin Claudia Roth hat sich im Frühjahr vorsorglich selbst ins Rennen geschickt. Die 57-Jährige gehört aber wie Jürgen Trittin zum linken Parteiflügel – und gegen ein linkes Doppel wehren sich die Realos. So ist Palmer nach vorn geprescht und hat dem Duo die Eignung als Spitzenteam abgesprochen. Roth und Trittin würden die Partei „nicht in ihrer Breite repräsentieren“, zündelte Tübingens Oberbürgermeister. Damit lasse man „relevante Wählermilieus“ außen vor.

Will keine Kampfkandidatur: Katrin Göring-Eckardt. (Foto: dapd)
Will keine Kampfkandidatur: Katrin Göring-Eckardt. (Foto: dapd)

Dummerweise finden die Realos seit Monaten keine Kandidatin, um Roth zu verhindern. Fraktionschefin Renate Künast ist seit der vergeigten Berlin-Wahl schwer angeschlagen und wurde in den eigenen Reihen nach Strich und Faden gerupft. Stattdessen klammert man sich im Realolager nun an Bundestags-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt. „Sie würde jüngere Wählerschichten und wertkonservativere Milieus ansprechen“, wirbt Janecek für die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland. Göring-Eckardt will dem Vernehmen nach aber keine Kampfkandidatur gegen Roth starten – und jene scheint nicht gewillt, klein beizugeben. So dürfte der Machtkampf zwischen den Flügeln anhalten.

Oder doch eine Troika?

Denn noch bis Ende August haben potenzielle Bewerber Zeit, ihre Kandidatur anzumelden. Wenn es mehr als zwei aussichtsreiche Vertreter gibt, muss ein Länderrat am 2. September entscheiden, ob es zur Urwahl kommt. Bis dahin versuchen die Parteioberen nach Kräften, den Streit nicht völlig entgleisen zu lassen. Reichlich verschnupft reagierte gestern Parteichef Özdemir auf den Wutbrief der Grünen-Frauen. Er riet ihnen, zu arbeiten oder doch einfach mal Urlaub zu machen.

Der Ordnungsruf verhallte wie erwartet im Nichts. „Meiner Meinung nach sollte Jürgen Trittin den Wahlkampf anführen“, ließ Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann gestern wissen. Der Bayer Janecek dagegen brachte eine Troika ins Spiel. „Ein Trio mit Claudia Roth, Katrin Göring-Eckardt und Jürgen Trittin halte ich durchaus für denkbar“, sagte der bayerische Grünen-Chef dieser Zeitung.

Hinter Janeceks Werben für die Troika steckt durchaus Kalkül. So könnte man eine Urwahl verhindern. Daran ist dem Realoflügel gelegen, weil Göring-Eckardt schlechte Chancen gegen Roth haben dürfte, wenn die Mitglieder befragt werden. Andernfalls läuft wohl alles auf das Spitzenduo Roth und Trittin hinaus.