Berlin. . Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen wirft der Wirtschaft große Versäumnisse bei Frauenförderung vor. Und setzt damit ihre junge Nachfolgerin und Parteifreundin Kristina Schröder unter Druck. Die hatte erst kürzlich die Leiterin der Abteilung „Gleichstellung und Chancengleichheit“ in den Ruhestand versetzt – mit 53 Jahren.

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat ihre Forderung nach einer festen gesetzlichen Quote von Frauen in Führungspositionen bekräftigt. Es sei empörend, wie wenig sich in den vergangenen zehn Jahren bei den Konzernen bei dem Thema getan habe, sagte die CDU-Politikerin der „Süddeutschen Zeitung“.

In Unternehmen gelte noch immer, dass die Frauen in der Breite mitarbeiten dürften, in der Spitze aber nicht. „So geht’s nicht mehr weiter“, sagte von der Leyen. Sie habe aber keine Lust mehr, sich zehn weitere Jahre leere Versprechungen anzuhören.

Zielvorgabe: 30 Prozent

Daher müsse jetzt eine gesetz­liche Frauenquote für die Aufsichtsräte von börsennotierten Firmen beschlossen werden. Zielvorgabe hierfür sei die Marke von 30 Prozent. Eine „Flexi-Quote“, wie sie Kristina Schröder, ihre Nachfolgerin im Amt der Bundesfamilienministerin, anstrebe, werde nicht reichen, sagte von der Leyen.

Bei der Flexi-Quote sollen sich Unternehmen selbst ein Ziel für die Förderung von Frauen in Führungspositionen setzen. Falls ein Unternehmen das selbstgesteckte Ziel nicht erreicht, sollen Sanktionen verhängt werden können.

Vorbild Norwegen

Von einer solchen Freiwilligkeits-Regelung hält Ursula von der Leyen nichts und hat daraus auch nie ein Geheimnis gemacht. Von 2005 bis 2009 war die CDU-Politikerin in der schwarz-roten Koalition Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Zunehmend deutlich hatte sie in ihrer Amtszeit gefordert, börsennotierten Konzernen eine Mindestquote für Vorstände und Aufsichtsräte gesetzlich zu verordnen. Alle Versprechen der Unternehmen, qualifizierte Frauen freiwillig an die Spitze zu bringen, brachten bisher keine erkennbaren Erfolge.

Ein Beleg dafür, dass gesetzliche Frauen-Quoten nicht den Untergang führender Großkonzerne bedeuten, ist für von der Leyen und andere Mitstreiterinnen in der CDU das Beispiel Norwegen. Vor gut zehn Jahren lag der Frauen-Anteil in den Aufsichtsräten der börsennotierten Unternehmen dort bei sieben Prozent.

Es war der damalige konservative Wirtschaftsminister Ansgar Gabrielsen, der damals die gesetzliche Quote einforderte: 40 Prozent der Aufsichtsratsmitglieder müssten in Zukunft Frauen sein. Trotz heftiger Widerstände aus der Wirtschaft beschloss das Parlament mit großer Mehrheit das Gesetz, das den Konzernen fünf Jahre Zeit ließ für die Suche nach geeigneten Expertinnen. Sollte die Quote nicht erreicht werden, drohte es mit empfindlichen Strafen bis hin zur Zwangsauflösung des Unternehmens.

Die Quote wirkt: 40 Prozent übererfüllt

Davon ist heute keine Rede mehr. Stattdessen haben Norwegens Unternehmen die gesetzliche Quote übererfüllt. Und auch im Management ist Bewegung zu beobachten: 2010 waren bereits 35 Prozent der Top-Jobs mit Frauen besetzt. Andere Länder in Europa folgten dem Beispiel Norwegens, gesetzliche Mindestquoten für Frauen gelten inzwischen in Spanien, Italien und Frankreich, den Niederlanden und Belgien.

Die amtierende deutsche Familienministerin Christina Schröder hält nichts von gesetzlichem Zwang. Was sie vom neuerlichen öffentlichen Vorstoß ihrer Vorgängerin hält, ist offen.

Überraschender Rauswurf in Berlin

Ein Hinweis darauf, dass es auch innerhalb ihres Berliner Ministeriums heftige Debatten um das Für und Wider gesetzliche Quote gab, könnte die überraschende Entlassung der Fachfrau für Quotenfragen sein: Ohne Angabe von Gründen hatte Schröder die Leiterin der Abteilung „Gleichstellung und Chancengleichheit“ in den Ruhestand versetzt. Eva Maria Welskop-Deffaa (53), Katholikin, Mutter dreier erwachsener Kinder und EU-weit geschätzte Expertin für Frauenrechte und Gleichstellungspolitik, musste auf Anordnung der Ministerin ihr Büro mit sofortiger Wirkung räumen.

Als der Rauswurf in der vergangenen Woche bekannt wurde, forderten SPD und Grüne eine Begründung für den unfreiwilligen Abschied der Fachfrau, die von der Leyen zur Abteilungsleiterin eingesetzt hatte. „Sie ist eine der am besten vernetzten Frauenpolitikerinnen“, erklärte die Grünen-Politikerin Ekin Deligöz. Schröders Aktion belege, „wie unsouverän die Ministerin ist“. Kerstin Griese (SPD), frühere Vorsitzende des Familienausschusses, nannte es „einen Skandal, dass eine kompetente Abteilungsleiterin ein Jahr vor der Wahl rausgeworfen wird“.

1600 Gleichstellungsbeauftragte schreiben der Kanzlerin

Zahlreiche Frauenverbände haben protestiert, 1600 kommunale Gleichstellungsbeauftragte aus der ganzen Republik kritisierten die Entscheidung in einem Brief an die Kanzlerin das „bestürzende Signal“. Sie hätten „die Gewissheit verloren“, am gleichen Ziel zu arbeiten wie das Ministerium, zitierte die Süddeutsche Zeitung den Brief. Ob die Kanzlerin geantwortet hat, ist bisher offen.

Eine Antwort erhielt Kerstin Griese, die eine Anfrage im Bundestag gestellt hatte. Sie wollte wissen, welche „politischen oder fachlichen Gründe“ es für die Absetzung Welskop-Deffaas gab. Nicht Schröder, sondern Familien-Staatssekretär Hermann Kues (CDU) lieferte die Erklärung: Das Ministerium habe lediglich das Bundesbeamtengesetz angewendet. „Gegenüber dem Bundespräsidenten wurden Gründe geltend gemacht“, die nach Paragraf 54 eine Versetzung in den einstweiligen Ruhestand rechtfertigten, schrieb er in seiner Antwort.

„Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen“

Paragraf 54 regelt jedoch lediglich, dass der Bundespräsident jederzeit bestimmte hochrangige Beamte in den einstweiligen Ruhestand versetzen kann. Kues weiter: „Die Entscheidung wurde nach Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens getroffen.“ Die Stelle wird mit der bisherigen Unterabteilungleiterin Renate Augstein besetzt. Auch eine zweite Abteilungsleiterstelle im Ministerium soll mit einer Frau besetzt werden. mit afp/dapd