Seoul. Noch vor wenigen Monaten galt Ri Yong Ho als einflussreicher Mann, lange Jahre war er Vertrauter des verstorbenen Staatschefs Kim Yong Il. Jetzt gab der 69-Jährige sein Amt auf – offiziell aus Krankheitsgründen. Experten vermuten aber den gezielten Austausch der alten Führungsriege durch Vertraute des jungen Machthabers Kim Jong Un.

Der einflussreiche nordkoreanische Militärchef Ri Yong Ho ist überraschend von allen Posten entbunden worden. Die amtliche Nachrichtenagentur KCNA nannte am Montag gesundheitliche Gründe für die Entscheidung.

Beobachter vermuten indes, dass Staatschef Kim Jong Un sich von dem engen Vertrauten seines verstorbenen Vaters und Vorgängers Kim Jong Il trennte, um seiner Politik seinen eigenen Stempel aufzudrücken.

Der Beschluss über die Amtsenthebung Ris sei am Sonntag bei einer Sitzung des Politbüros der Arbeiterpartei getroffen worden, meldete KCNA. Ri war Chef des Generalstabs und Vize-Marschall der Koreanischen Volksarmee. Es war zunächst nicht klar, wer die Nachfolge Ris antritt. Auch wurden keine Details zu Ris Gesundheitszustand bekannt.

In Nordkorea vollzieht sich laut Experten Generationswechsel

Der 69-Jährige machte bei jüngsten Auftritten allerdings einen durchaus gesunden Eindruck, was Spekulationen anfachte, wonach Kim Yong Un Ri loswerden und den Top-Posten mit einem engeren Vertrauten besetzen wollte. Beobachtern zufolge dürften in den nächsten Wochen weitere Köpfe rollen und dürfte Kim ältere Mitglieder der Führungsriege aus der Ära seines Vaters nach und nach gegen jüngere Vertreter auswechseln.

In Nordkorea vollziehe sich ein Generationswechsel, sagte Hong Hyun-ik, Analyst bei der privaten südkoreanischen Denkfabrik, dem Sejong Institut. Auch Daniel Pinkston, ein nordkoreanischer Analyst bei der Internationalen Krisengruppe (ICG), zweifelt an der Begründung, dass Ri wegen gesundheitlicher Probleme seiner Ämter enthoben worden sei. „Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass es keine gesundheitlichen Probleme gab, sondern er geschasst wurde“, sagte Pinkston.

Überraschend übergangen

Damit habe Kim ein starkes Signal ausgesendet an jeden, der mit dem Gedanken spiele, ihn herauszufordern. Ri habe Kim allerdings niemals offen die Stirn geboten. Es habe aber zu Denken gegeben, dass Ri bei einem Parteikongress im September 2010 mehrfach befördert worden sei, beim letzten im April aber völlig übergangen worden sei.

In den Wochen und Monaten nach der Machtübernahme Kims begleitete Ri diesen häufig auf Reisen. Die Entlassung eines ranghohen Militärvertreters ist ein bedeutender Schritt in Nordkorea, wo unter Kim Jong Il die Politik „Die Armee zuerst“ lautete.

Keinerlei Anzeichen von Krankheit

Der robust wirkende Ri, der seit 2009 Generalstabschef war und 2010 zum Vizemarschall befördert wurde, zeigte keinerlei Anzeichen von Krankheit, als er im April bei einem Treffen zum 80. Jahrestag der Gründung der Armee eine Rede hielt. Staatlichen Medienberichten zufolge hatte er Kim Jong Un noch vergangene Woche zu öffentlichen Auftritten begleitet. (ap)