Kairo. . Ägyptens Präsident Mohamed Mursi setzt das vom Militärrat aufgelöste Parlament wieder ein. Er geht damit auf Konfrontationskurs zu den Generälen. Die Menschen auf dem Tahrir Platz in Kairo jubelten ihm dafür zu.
Am Nil stehen die Zeichen wieder auf Sturm. Gut eine Woche nach seiner Vereidigung geht Präsident Mohamed Mursi auf volle Konfrontation zum Obersten Militärrat (SCAF) und löst damit in Ägypten neue Unsicherheiten und Ängste aus.
Per Dekret setzte der Staatschef, der aus den Reihen der Muslimbrüder stammt, demonstrativ das von den Generälen aufgelöste Parlament wieder ein. Gleichzeitig legte er einen Termin für Neuwahlen fest, innerhalb von zwei Monaten nach Verabschiedung einer neuen Verfassung. Parlamentspräsident Saad al-Katatni rief die Abgeordneten für Dienstag zu einer Sitzung zusammen.
Politisches Erdbeben
Zeitungen in Kairo sprachen von einem politischen Erdbeben. Tausende von Demonstranten versammelten sich auf dem Tahrir-Platz, während die Soldaten erstmals seit vier Wochen den Abgeordneten wieder gestatteten, das bislang abgeriegelte Parlamentsgebäude zu betreten. „Wir lieben dich, Mursi“, skandierte die Menge und „Nieder mit der Militärherrschaft“.
Der Militärrat und das Verfassungsgericht traten zu Dringlichkeitssitzungen zusammen. Die Generäle waren offenbar von dem Schritt des Staatschefs, der ihnen die Legislative wieder entzieht, überrascht worden. Es habe keine Vorabwarnung aus dem Präsidentenpalast gegeben, hieß es aus Kreisen der Armeeführung. Das Verfassungsgericht erklärte, seine Urteile seien für alle staatlichen Institutionen bindend.
Machtpoker Mursis stieß auf Kritik
Im liberalen und säkularen Lager stieß der Machtpoker Mursis und der Muslimbruderschaft auf scharfe Kritik. Zahlreiche Abgeordnete erklärten, sie würden nicht zum Plenum am Dienstag erscheinen. Friedensnobelpreisträger Mohamed El-Baradei nannte das Dekret eine „Verletzung der Autorität der Judikative“. Diese Entscheidung der Exekutive „verwandelt Ägypten von einer Herrschaft des Rechts in eine Herrschaft bestimmter Männer”, twitterte er.
Das Verfassungsgericht hatte am 14. Juni, zwei Tage vor der Stichwahl um das Präsidentenamt, Teile des Wahlgesetzes für die ersten demokratischen Parlamentswahlen in Ägypten für verfassungswidrig erklärt und ein Drittel der 498 Mandate für ungültig. Die Entscheidung ließ offen, welche Konsequenzen daraus für die Arbeit des Parlaments zu ziehen sind.
Westerwelle trifft Mursi
Bereits Stunden später wurde das weiße Gebäude nahe dem Tahrir-Platz von Soldaten abgeriegelt, keiner der Volksvertreter durfte mehr sein Büro betreten. Zwei Tage später erklärte der Militärrat dann beide Kammern des Parlaments für aufgelöst und legte alle Gesetzgebungsbefugnisse zurück in die eigenen Hände.
Am Montagabend reiste Bundesaußenminister Guido Westerwelle als erstes europäisches Regierungsmitglied zu einem Treffen mit Mursi nach Kairo. In Berlin hieß es, der Minister wolle mit dem raschen Besuch nach der Ernennung des Präsidenten die Kontakte nach Kairo ausbauen und bei Mursi für weitere Fortschritte in Richtung Demokratie werben. Westerwelle hatte Ägypten nach dem Sturz des Despoten Hosni Mubarak bereits sehr früh besucht und dabei die Reformkräfte symbolisch unterstützt.