Kamenz. Erneut wurden erste Prognosen zu den Wahlen bereits eineinhalb Stunden vor Schließung der Wahllokale über Twitter verbreitet. In einem Fall wurde der Twitter-Account eines CDU-Politikers genutzt. Der beteuert jedoch seine Unschuld. Die Landeswahlleiterin in Sachsen prüft rechtliche Schritte.

Wegen vorzeitiger Veröffentlichungen von Prognosen zur Landtagswahl im Internet wird in Sachsen ermittelt. Die Landeswahlleiterin sei bemüht, den Sachverhalt aufzuklären, sagte eine Sprecherin am Montag auf ddp-Anfrage. Medienberichten zufolge lagen nach den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und im Saarland am Sonntag bereits eineinhalb Stunden vor der Schließung der Wahllokale im Online-Kurznachrichtendienst Twitter detaillierte Prognosen vor.

Nach einem Bericht von «Spiegel online» waren die Informationen von zwei Twitter-Nutzern verbreitet worden, ohne dabei Quellen zu nennen. Die Zahlen unterschieden sich nicht wesentlich von den ersten Prognosen von ARD und ZDF um 18.00 Uhr. Eine der beiden Twitter-Accounts soll mittlerweile abgeschaltet worden sein, veranlasst von dessen Nutzer, dem CDU-Vorsitzenden im Stadtverband Radebeul, Patrick Rudolph. Er habe die Informationen nicht verbreitet, versicherte Rudolph dem Magazin.

"Das schadet der Demokratie"

Unmut riefen die Twitter-Veröffentlichungen bei Union und FDP hervor. «Das schadet der Demokratie», sagte Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU), dem «Kölner Stadt-Anzeiger». «Es besteht die Gefahr, dass eine Wahl verfälscht wird. Deshalb müssen solche Nachwahlbefragungen streng geheim gehalten werden», betonte Bosbach. Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Jörg van Essen, sagte, die Veröffentlichung der Befragungen von Wählern nach ihrer Stimmabgabe sei «nicht akzeptabel.» Einen Anfechtungsgrund für die Wahl sieht Essen darin aber nicht.

Das sieht der Verfassungsrechtler Jörn Ipsen anders. «Der Verstoß ist klar erkennbar. Deshalb ist eine Anfechtung möglich», sagte Ipsen der «Bild»-Zeitung. Für kommende Wahlen verlangte der Verfassungsrechtler ein Verbot von Nachwahl-Befragungen. «Es kann nicht sein, dass Wähler durch eine Veröffentlichung im Internet möglicherweise beeinflusst werden. Das bekommt man nur durch Verbote in den Griff», betonte Ipsen.

Auch bei der Bundespräsidentenwahl hatten mehrere Delegierte über den Online-Dienst das Ergebnis der Wahl wenige Minuten vor der Verkündung verbreitet. Bundeswahlleiter Roderich Egeler warnte anschließend, Twitter könne zum GAU für die Bundestagswahl werden, wenn Wahlgeheimnisse ausgeplaudert würden. (ddp)