Essen. Bauminister Michael Groschek setzt bei der Verschönerung der Städte verstärkt auf die Abrissbirne. Beispiele hierfür: Diie „Weißen Riesen“ in Kamp-Lintfort, Teile von Duisburg-Bruckhausen und das „Horrorhaus“ in Dortmund. Hiier zeigt sich, mit welchen Problemen es Groschek zu tun bekommen wird.

„Ich bin die Abrissbirne für die deutsche Szene“, rappt Peter Fox in seinem Lied „Alles neu“. Möglich, dass der neue NRW-Bauminister Michael Groschek die Zeile zumindest für Nordrhein-Westfalen umsetzen möchte. Im WAZ-Interview hatte der SPD-Politiker angekündigt, in Regionen mit viel Leerstand und Schrottimmobilien öfter die Abrissbirne einsetzen zu wollen. Experten wie Andreas Fritzen, Professor für Städtebau an der Hochschule Bochum, begrüßen diesen Ansatz in einer schrumpfenden Region wie dem Revier – wenngleich er nicht neu ist. Sie weisen jedoch auch darauf hin, dass auf Demontage basierende Stadtentwicklung nicht in wenigen Jahren vollzogen ist.

In vielen Städten des Ruhrgebiets und darüber hinaus sind bereits einzelne Häuser, Straßenzeilen oder ganze Quartiere in Staubwolken aufgegangen. Oft eine Konzession an die sinkenden Einwohnerzahlen. In Hagen lebten einst 275.000 Menschen, 2020 sollen es nur noch 178.000 sein. Im Stadtteil Wehringhausen sind deshalb gleich mehrere Häuser abgetragen worden. Da laut Andreas Fritzen „Abriss einen Mehrwert bringen muss“ entstand auch Neues. Alte Mietshäuser mit 95 kleinen Wohnungen verschwanden zu Gunsten von Neubauten mit 60 größeren und altengerechten Wohnungen. Das Revier schrumpft nicht nur, es wird auch älter.

Die „Weißen Riesen“ sind gefallen

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Das spürt man auch in Kamp-Lintfort. Etwa vor der Jahrtausendwende gab es dort die ersten Überlegungen der Stadtverwaltung, die drei „Weißen Riesen“ abzureißen. Ein Euphemismus für seit ihrer Errichtung in den 1970er-Jahren ergraute Betonklötze, die das Zentrum der Kleinstadt dominierten. Es folgten zahlreiche Gespräche mit Finanziers und dem Einzelhandel, bei denen sich herausstellte, das auch der dritte – bewohnte – Turm fallen müsste. Das war 2007.

Mit dem Eigentümer und den Mietern wurde sich die Stadt dank des Geldes aus dem Bund-Länder-Fördertopf „Stadtumbau West“ relativ schnell einig. Sie wurden entschädigt, bekamen den Umzug bezahlt und eine Renovierungshilfe. „Innerhalb von fünf Monaten war das Haus leer“, sagt Wirtschaftsförderer Andreas Iland. Kurz vor Weihnachten 2010 endete dann die Ära der „Weißen Riesen“ in Kamp-Lintfort. An ihrer Stelle steht jetzt ein Einkaufszentrum.

Das „Horrorhaus“ steht

Nicht immer gelingt es einer Stadt, sich so einfach von einer störenden Immobilie zu trennen. Dortmund kämpft bereits seit Anfang dieses Jahrtausends mit dem „Horrorhaus“. Jeder, der mit dem Zug in die Stadt einfährt, sieht im Norden das grobschlächtige Mahnmal architektonischer Versündigung. 102 Wohnungen, verteilt auf 18 Etagen, stehen seit Jahren leer. Anwohner klagen über die dem Stadtteil schadende Verwahrlosung, Auswärtige spotten über das Dortmunder „Wahrzeichen“. Lieber heute als morgen will die Stadtverwaltung das Gebäude entweder sprengen oder abtragen, doch im Gegensatz zu Kamp-Lintfort waren die Besitzverhältnisse lange nicht geklärt. Das einstige Anlageobjekt hatte 42 Eigentümer, die Stadtmitarbeiter in mühevoller Kleinarbeit zum Teil in Übersee ermitteln mussten. Die sind jetzt bekannt, doch die Wohnungen noch längst nicht erworben. Die Zuversicht des Oberbürgermeisters Ulrich Sierau, 2012 werde es stauben, wird sich wohl nicht erfüllen.

Das Hochhaus an der Kielstraße in Dortmund. Das so genannte Horrorhaus, sollte dieses Jahr abrissen werden. Daraus wird wohl nichts.
Das Hochhaus an der Kielstraße in Dortmund. Das so genannte Horrorhaus, sollte dieses Jahr abrissen werden. Daraus wird wohl nichts. © WR/Franz Luthe

Dortmund ist für Städtebauer Andreas Fritzen ein Beispiel für die zunehmende Ohnmacht der Kommunen: „Eigentum verpflichtet leider nicht mehr. Häufig gehören die Gebäude zu großen Fonds, deren Verwalter kein Interesse an ihrer Entwicklung haben.“

Häuser wichen einem Grüngürtel

Erfahrungen, wie sie auch Duisburg sammeln musste. Die Stadtverwaltung begann 2006 mit der Planung, Teile von Bruckhausen niederzureißen. Viele Häuser standen leer oder befanden sich in desolatem Zustand. Mit Hilfe der Förderprogramme „Soziale Stadt“ und „Stadtumbau-West“ sowie mit Unterstützung von Thyssen-Krupp sind 71,9 Millionen Euro für den Erwerb, Abriss und die Umgestaltung des Stadtteils freigeworden. 70 Häuser sind bereits Geschichte, die Eigentümer und Mieter entschädigt und umgesiedelt.

Stattdessen entsteht zwischen Quartier und Industrie ein Grüngürtel, von dem sich Baudezernent Carsten Tum „eine ausgeglichenere Sozialstruktur“ des Stadtteils erhofft. Doch dies ist nur eine Baustelle. „Wir haben noch 14.000 leerstehende Wohnungen, von daher unterstütze ich das Vorhabens des Ministers.“ Viel zu tun.