Brüssel. Die Außenminister der EU ringen um die Zukunft der Guantanamo-Häftlinge. Der deutsche Außenminister Steinmeier sagt: "Wir reißen uns nicht um die Aufnahme von Gefangenen. Aber es ist eine Frage der Glaubwürdigkeit." Unionspolitiker warnen derweil vor der Gefährlichkeit der Häftlinge.
Die Außenminister der Europäischen Union beraten erstmals über eine mögliche Aufnahme von Insassen des US-Gefangenenlagers Guantanamo. Der tschechische Ressortchef und amtierende EU-Ratsvorsitzende Karel Schwarzenberg machte am Montag in Brüssel deutlich, die Entscheidung über diese Frage bleibe alleinige Sache der Mitgliedstaaten. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) nannte ein Angebot der Europäer an die USA «eine Frage der Glaubwürdigkeit».
Mit einem gemeinsamen Beschluss der Außenminister wurde am Montag noch nicht gerechnet. EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner sagte: «Es ist viel zu früh, zu einer Entscheidung zu kommen.» Zunächst wartet die EU nach Angaben Schwarzenbergs auf eine konkrete Anfrage der USA, die bisher nicht vorliegt.
Steinmeier sagte: «Wir reißen uns nicht um die Aufnahme von Gefangenen. Aber es ist eine Frage der Glaubwürdigkeit, ob wir die Auflösung des Lagers in den USA unterstützen oder nicht.» Die EU-Staaten sind bei der Frage gespalten. Österreich, Schweden, Dänemark und die Niederlande schließen eine Aufnahme von Guantanamo-Insassen aus. Länder wie Frankreich und Portugal pochen auf eine enge Abstimmung der EU-Staaten. In Deutschland kommt Kritik vor allem aus der Union.
"Die Verantwortung liegt ganz klar bei den USA"
Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann hat sich derweil gegen eine Aufnahme von Guantanamo-Häftlingen in Deutschland ausgesprochen. «Die Verantwortung liegt ganz klar zunächst bei den USA», sagte der CSU-Politiker am Montag im Südwestrundfunk und kritisierte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD): «Ich verstehe überhaupt nicht, weshalb Steinmeier von sich aus diese öffentliche Debatte vom Zaun bricht.»
Das Gefangenenlager für Terrorverdächtige sei rechtsstaatlich indiskutabel und werde jetzt zu Recht geschlossen. Aber die allermeisten Häftlinge seien Terroristen oder zumindest höchst gefährlich. Die USA müssten sie jetzt vor einem ordentlichen amerikanischen Gericht zur Rechenschaft ziehen. Wenn sie unschuldig seien, «dann stehen auch die Amerikaner in der Verantwortung», sagte Herrmann. «Das ist keine europäische Verantwortung.»
Auch den Vorschlag des Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Günter Nooke, Uiguren aus Guantanamo aufzunehmen, wies Herrmann zurück: «Uiguren können genauso gut auch in den USA leben. Warum wollen die USA dieses Thema zu uns rüberschieben», sagte der bayerische Innenminister. Auch unter dieser moslemischen Minderheit in China seien «gewalttätige, auch terroristische Leute unterwegs». Selbst wenn Uiguren unschuldig in Guantanamo interniert wären, gäbe es keinen Grund, «warum wir hier in Deutschland vorrangig in Verantwortung dafür stehen».
CDU Brandenburg: Deutschland kein Ruheort für Terroristen
Auch die CDU Brandenburg ist gegen die Aufnahme von Guantanamo-Häftlingen in Deutschland. Generalsekretär Dieter Dombrowski und Innenpolitiker Sven Petke verwiesen am Montag in Potsdam auf erhebliche Sicherheitsrisiken. Erst kürzlich hätten als unschuldig entlassene Häftlinge in Videobotschaften die Fortführung ihres Kampfes gegen die westliche Welt angekündigt. Diese Personen würden «ohne Frage ein enormes Sicherheitsrisiko und eine akute Gefahr» darstellen, warnten die CDU-Politiker.
Es sei nicht im Interesse von Brandenburg und Deutschland, solchen Personen auf Kosten der Allgemeinheit einen dauerhaften Wohnsitz zu verschaffen. Deutschland habe sich schon viel zu oft als «Ruheort für Personen mit terroristischem Hintergrund gegen die eigenen Sicherheitsinteressen vergangen». Petke fügte hinzu, die Aufnahme von Guantanamo-Häftlingen hätte nichts mit Humanität zu tun, sondern wäre «schlicht fahrlässig». (ddp/afp/ap)