Duisburg/Hagen. . Einer Neuauflage des rot-grünen Regierungsbündnisses in NRW steht nichts mehr im Weg: Auf Sonderparteitagen von SPD und Grünen wurde der Koalitionsvertrag am Freitagabend durchgewunken. 450 Sozialdemokraten votierten einstimmig für das Regierungsprogramm, bei den Grünen lief es nicht ganz so glatt.

„Eine starke grüne Handschrift zieht sich durch das Arbeitsprogramm für die nächsten Jahre“, rief Grünen-Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann den 267 Delegierten in der Duisburger Mercatorhalle zu. Man habe sich „gegenüber einer erstarkten SPD behauptet“. Diese Sichtweise hatte die bisherige und künftige NRW-Schulministerin offenbar nicht exklusiv. Egal, ob Energiewende, Bildungspolitik oder Wohnungsbau – das auf knapp 200 Vertragsseiten zusammengezimmerte Regierungsprogramm für NRW bis 2017 kam an der Basis gut an.

Fraktionschef Reiner Priggen wehrte sich am Freitagabend gegen den öffentlich vermittelten Eindruck, Rot-Grün sei ausgerechnet beim Thema Sparen allzu unkonkret geblieben. Man habe sich auf einen Koalitionsvertrag verständigt, der „so gut wie keine Haushaltsaufwüchse“ beinhalte und werde sämtliche Förderprogramme des Landes systematisch nach Einsparmöglichkeiten durchkämmen. Das rot-grüne Kürzungsziel von einer Milliarde Euro struktureller Haushaltskürzungen bis 2017 werde „ein hartes Stück Arbeit“.

Löhrmann weist Verdacht von Geheimabsprachen zurück

Für Unruhe sorgte lediglich ein Bericht des „Kölner Stadtanzeigers“, dass Löhrmann und Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) vertrauliche Nebenabreden zum Koalitionsvertrag getroffen hätten. So sei beispielsweise beschlossen worden, dass man dem umstrittenen neuen Braunkohlekraftwerk Niederaußem keine Steine in den Weg legen werde und auch eine Erweiterung des Freizeitparks „Phantasialand“ in Brühl akzeptiere. Beides wären für die Grünen-Basis schwer verdauliche Kröten. Löhrmann beteuerte in ihrer Parteitagsrede eilig, dass es derartige Geheimabsprachen nicht gebe: „Das ist Quatsch“. Sie habe in einer gesonderten Note mit Kraft lediglich „bestimmte Konkretisierungen und Verfahrensfragen“ zum Regierungshandeln verabredet. Dies sei ein übliches Verfahren und helfe, „damit die SPD nicht an Gedächtnisschwund leidet“. Fraktionschef Priggen twitterte im Internet sicherheitshalber noch einmal für die Parteibasis: „Glaubt nicht alles, was im Kölner Stadtanzeiger steht.“

Die Grünen-Mitglieder nahmen es hin. Selbst die diskussionswürdige Versetzung des Parlamentarischen Staatssekretärs Horst Becker vom Verkehrs- ins Umweltministerium wurde zumindest auf offener Bühne nicht kritisiert. Der ausgewiesene Verkehrspolitiker soll künftig im grünen Ministerium von Johannes Remmel für den ländlichen Raum zuständig sein, nachdem er im SPD-geführten Wirtschafts- und Verkehrsressort angeblich nicht mehr gelitten war. Allem Geraune über fehlende Qualifikation Beckers und eine „Versorgungspolitik“ zum Trotz pries Remmel unwidersprochen Becker als „personelle und politische Stärkung für das Zukunftsfeld Ländlicher Raum“.

Entspannte Feierstimmung bei der SPD in Hagen

Die NRW-SPD zeigte sich bei ihrem Parteitag in Hagen in entspannter Feierstimmung – und hatte es eilig. Nach gerade einmal eineinhalb Stunden stimmten die 422 Delegierten einstimmig (!) dem Koalitionsvertrag mit den Grünen zu. Wieviel neues Selbstbewusstsein der Wahlsieg dem größten SPD-Landesverband verschafft hat, hatte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft gleich zu Beginn ihrer Rede deutlich gemacht: Wir haben es geschafft, der gesamten Partei in Deutschland einen Schub zu verschaffen.

Fast wie bestellt erreichte den Parteitag die aktuelle Umfrage des ZDF-Politbarometers, nach der Kraft erstmals knapp vor Kanzlerin Angela Merkel liegt. "Die populärste Politikerin ist unsere Hannelore", rief SPD-Generalsekretär Michael Groschek unter lautem Beifall. Kraft ließ sich gern feiern, ehe sie das Koalitionspapier im Schnelldurchlauf vorstellte. "Eine tragfähige und belastbare Arbeitsgrundlage, um NRW weiter voran zu bringen", sagte sie.

Kraft beharrt auf neue Kohle-Kraftwerke

Die Regierungschefin warb für das mit den Grünen in drei Wochen erarbeitete Programm, das ohne Formelkompromisse auskomme. In der Finanzpolitik, die ganz im Zeichen der Schuldenbremse steht, will Rot-Grün strukturell eine Milliarde Euro bis 2017 einsparen. Allerdings hält die Koalition auch an ihrem Credo fest, in die Zukunft zu investieren – für Kinder, Bildung und Kommunen. In der Kindergartenpolitik bleibt die SPD bei ihrem Ziel erweiterter Gebührenfreiheit, wenn dies der Haushalt zulässt.

Viel Zustimmung erhielt Kraft für ihre Forderung mit Blick auf die nächste Bundestagswahl, dass "starke Schultern mehr tragen müssen als schwache". SPD und Grüne fordern die Erhöhung des Spitzensteuersatzes und die Wiedereinführung der Vermögenssteuer. In der Energiepolitik bekannte sich Kraft ausdrücklich dazu, auch fossile Kraftwerke zu bauen, und bekräftigte: "Die Energiewende bleibt in NRW Sache der Chefin."

Versteckte Seitenhiebe auf die Grünen waren an keiner Stelle in Krafts Rede zu registrieren. Allerdings wies sie erneut die von den Grünen im Wahlkampf erhobene Forderung zurück, 2000 Polizisten im Land einzusparen. Auch SPD-Fraktionschef Norbert Römer lobte die Zusammenarbeit mit den Grünen: "Wir wollen es in den nächsten fünf Jahren packen". Am Ende gab es keinerlei Widerspruch zum Koalitionsvertrag. Er soll am Montag im Düsseldorfer Ständehaus unterzeichnet werden.