Berlin. Die Wirtschaftskrise könnte bis 2013 ein Loch von gut 300 Milliarden Euro in die öffentlichen Haushalte reißen. Innerhalb der Union werden Stimmen laut, die vor Steuerversprechen im Wahlkampf warnen, doch Kanzlerin Angela Merkel hält an ihrem Entlastungskurs fest.

Die Wirtschaftskrise reißt riesige Löcher in die öffentlichen Kassen. Experten des Bundesfinanzministeriums gehen bis 2013 von Steuerausfällen von knapp über 300 Milliarden Euro bei Bund, Ländern und Gemeinden aus, berichtet das Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» am Wochenende vorab. Angesichts solcher Prognosen kommen in der Union Zweifel auf, ob im Wahlprogramm Steuersenkungen versprochen werden können.

300 Milliarden Steuerausfälle bis 2013

Mitte Mai setzen sich die Experten vom Arbeitskreis Steuerschätzung zusammen, um die Einnahmeentwicklung für das laufende und die vier Folgejahre vorherzusagen. Für das laufende Jahr gehen die Experten aus dem Haus von Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) von Steuerausfällen in Höhe von 25 Milliarden Euro bei Bund, Ländern und Gemeinden aus, bis 2013 seien es 300 Milliarden Euro.

2009 muss Steinbrück dem Nachrichtenmagazin zufolge 50 Milliarden Euro neue Schulden aufnehmen, mehr als jemals zuvor ein Bundesfinanzminister. Bis Anfang Juni wolle Steinbrück einen Nachtragshaushalt mit einem Volumen von bis zu 15 Milliarden Euro vorlegen. Für 2010 rechne der Minister mit 80 Milliarden Euro neuer Schulden. In dieser Rechnung sind in beiden Jahren noch nicht die Belastungen aus einem Teil des zweiten Konjunkturprogrammes und dem Bankenrettungspaket berücksichtigt, die in zwei Schattenhaushalten aufgefangen werden.

Darlehen für die Bundesagentur für Arbeit

Der Ministerpräsident Sachsen-Anhalts, Wolfgang Böhmer (CDU), warnt vor falschen Versprechungen. Foto: ddp
Der Ministerpräsident Sachsen-Anhalts, Wolfgang Böhmer (CDU), warnt vor falschen Versprechungen. Foto: ddp © ddp

Zusätzlich ist der Bund im nächsten Jahr gezwungen, der Bundesagentur für Arbeit ein Darlehen von 17,5 Milliarden Euro zu gewähren, wie laut «Spiegel» ein koalitionsinterner Vermerk unter Berufung auf Berechnungen der Nürnberger Behörde ausweist. In Berlin rechne niemand mit Rückzahlung des Darlehens.

Unterdessen lehnen mehrere CDU-Ministerpräsidenten das Vorhaben der Parteiführung ab, den Bürgern im Unions-Wahlprogramm Steuernachlässe zu versprechen. «Ich kann nicht erkennen, wie angesichts der milliardenschweren Konjunkturprogramme auch noch Steuersenkungen zu bezahlen sind», sagte Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU).

Auch Sachsen-Anhalts Regierungschef Wolfgang Böhmer (CDU) sagte: «Wir sollten auf keinen Fall Versprechen machen, die wir nicht halten können.» Steuersenkungen seien nur dann möglich, wenn es in Bund und Ländern wieder ausgeglichene Haushalte gebe. «Im Moment ist das nicht absehbar», sagte Böhmer.

Union stellt Wahlprogramm im Juni vor

Das Wahlprogramm von CDU und CSU soll am 29. Juni in Berlin präsentiert werden. Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel verteidigte die Absicht, in der nächsten Legislaturperiode Steuersenkungen durchsetzen. «Wir müssen auch die Leistungsträger der Gesellschaft entlasten, die derzeit alljährlich zu stark durch die kalte Progression belastet werden», sagte Merkel. Das Wahlprogramm der Union werde einen «Dreiklang von Schuldentilgung, Investitionen in Innovation und steuerlicher Entlastung» für die Zeit nach der Krise enthalten, wenn die Staatseinnahmen wieder erhöhten.

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla betonte, die Menschen sollen in der nächsten Wahlperiode «mehr Netto vom Brutto» erhalten. Pofalla schränkte zugleich ein: «In welchen Schritten und zu welchem Zeitpunkt genau sich eine Steuerentlastung realisieren lässt, hängt entscheidend von der Steuerschätzung und der wirtschaftlichen Entwicklung ab.»

CSU-Chef Horst Seehofer erklärte, es gebe zwischen CSU und CDU keine «grundlegenden Differenzen» über das Steuerkonzept. «Wir brauchen eine ordnungspolitisch saubere Steuerreform», sagte er dem «Hamburger Abendblatt» vom Samstag. Gerade in einer wirtschaftlich schwierigen Situation dürfe die Politik nicht kapitulieren. «Nichthandeln wäre für den Staat die teuerste Lösung», sagte der bayerische Ministerpräsident. (afp/ddp)

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