Göttingen. Katja Kipping soll nun also die Risse in der Partei Die Linke kitten. Sie ist die neue Vorsitzende der Linkspartei. Das ist auch ein Triumph für Oskar Lafontaine, dessen innerparteilicher Gegner Dietmar Bartsch bei der Wahl das Nachsehen hatte. Kipping will nun die „verdammte Ost-West-Verteilung“ an der Parteispitze und das Lagerdenken beenden.

Parteiikone Oskar Lafontaine war einer der ersten Gratulanten. Dessen Fahrensmann, der Ex-Vorsitzende Klaus Ernst, strahlte, als habe er soeben im Lotto gewonnen. Voller Inbrunst stimmten Anhänger aus dem Lafontainelager die Internationale an, als am späten Samstagabend der beinharte Machtkampf in der Linkspartei entschieden war. Mit Ach und Krach hat sich der Gewerkschafter Bernd Riexinger auf dem Parteitag in Göttingen gegen den ostdeutschen Reformer Dietmar Bartsch als neuer Chef der Linken durchgesetzt. Zusammen mit Katja Kipping soll der 56-jährige Lafontaine-Vertraute aus dem Schwabenland nun die zerstrittene und von Niederlagen gebeutelte Partei aus ihrer schwersten Krise führen.

Im ersten Wahlgang stimmten 371 der Delegierten für Kipping, die sich gegen die Hamburger Linken-Fraktionschefin Dora Heyenn durchsetzte. Die 63-Jährige bekam nur 162 Stimmen. Kipping wollte ursprünglich nur mit NRW-Landeschefin Katharina Schwabedissen eine Doppelspitze bilden und einen „Aufbruch weg vom Lagerdenken“ starten. Kurz vor der Wahl aber zog Schwabedissen ihre Kandidatur zurück, weil mehrere Landesverbände offenbar gedroht hatten, die 39-Jährige im zweiten Wahlgang durchfallen zu lassen.

Kipping will die „verdammte Ost-West-Verteilung“ beenden

In ihrer Bewerbungsrede appellierte Kipping an die Delegierten, mit der „verdammten Ost-West-Verteilung“ an der Parteispitze und dem Lagerdenken aufzuhören. Sie selbst pendle zwischen Dresden und Westberlin. Zugleich wehrte sich die 34-jährige Ostdeutsche, die eher zum Reformerflügel zählt, gegen den Vorwurf, eine Bartsch-Verhinderin zu sein. Denn nach guter Linken-Sitte soll die Parteispitze die verschiedenen Flügel abdecken und mit je einem Vertreter aus Ost- und Westdeutschland besetzt sein.

Lange war spekuliert worden, ob Sahra Wagenknecht nicht in letzter Minute ins Rennen gehen würde, um Intimfeind Bartsch zu verhindern. „Ich möchte die Polarisierung nicht auf die Spitze treiben“, begründete die Lebensgefährtin Lafontaines in einer persönlichen Erklärung schließlich ihren Verzicht und gab den Delegierten noch einen vergifteten Tipp mit auf den zweiten Wahlgang. Sie wünsche sich eine „neue Führung jenseits der Konfliktlinien“. Damit hätte Wagenknecht, die später zur Vizechefin wiedergewählt wurde, auch gleich sagen können: Stimmt bloß nicht für Bartsch.

Konflikt von Bartsch und Lafontaine

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Dahinter steckt der Konflikt mit Lafontaine. Nach monatelangem Schweigen hatte sich der 68-Jährige für die Kandidatur bereit erklärt und seine Zusage schmollend revidiert, nachdem Bartsch vor seiner Kandidatur nicht abrücken wollte. Daraufhin hatte das Lafontaine-Lager Mitte der Woche Riexinger als Bartsch-Verhinderer aus dem Hut gezaubert.

Während Riexinger in seiner Bewerbungsrede die Arbeitsbedingungen in Deutschland geißelte und damit die Seele der Linken-Basis streichelte, musste sich Bartsch in einer kämpferischen Rede verteidigen. „Natürlich stehe ich für eine eigenständige Linke“, sagte der 56-jährige Ex-Bundesgeschäftsführer. Aber er wolle auch Bündnispartner für die Politik der Linken. Dahinter steckt der Grundkonflikt in der Partei seit deren Fusion aus PDS und WASG. Während die ostdeutschen Landesverbände längst das Mitregieren gewöhnt sind und Bündnispartner für ihre Politik suchen, setzen die westdeutschen Landesverbände auf eine klare Abgrenzung zur SPD.

Tiefer Riss zwischen den Flügeln der Linken

Wie tief der Riss zwischen den Flügeln ist, zeigte am Ende auch das knappe Wahlergebnis. Riexinger erhielt 297 der Delegiertenstimmen, während Bartsch sich mit 251 begnügen musste. „Ich glaube, dass bei dieser weisen Entscheidung der Delegierten die Partei gewonnen hat“, flohlockte Lafontaine nach der Wahl. Stinksauer waren hingegen Teile des Reformerflügels. Hinter vorgehaltener Hand behaupteten einige, Kipping habe nie wirklich vorgehabt, mit Schwabedissen anzutreten. „In diesen Konflikt ist sie sehenden Auges gelaufen“, sagte ein hochrangiges Linkenmitglied dieser Zeitung.

Kipping und Riexinger treten nun das schwere Erbe ihrer glücklosen Vorgänger, Gesine Lötzsch und Klaus Ernst, an. Das ungleiche Duo muss versuchen, die völlig zerstrittenen Flügel zu versöhnen. Riexinger will dafür zunächst mit all denjenigen sprechen, die ihn nicht gewählt haben. Ex-Parteichef Ernst hofft derweil, dass die neue Linke-Parteispitze weniger Knüppel aus den eigenen Reihen zwischen die Beine bekommt: „Wenn Teile der Partei mit der neuen Führung umgehen wie mit der alten, werden wir wieder ein Problem haben.“

Van Aken und Troost Vizechefs der Linken 

Die beiden Bundestagsabgeordneten Jan van Aken und Axel Troost sind neue Vizevorsitzende der Linken. Van Aken aus dem Landesverband Hamburg und Troost aus dem Landesverband Sachsen wurden am Sonntag auf dem Bundesparteitag in Göttingen gewählt. Troost vertritt die Linke-Abgeordneten in finanzpolitischen Fragen, van Aken ist außenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion.

Bereits am Samstag war Sahra Wagenknecht in ihrem Amt als stellvertretende Parteivorsitzende bestätigt worden. Auch die bisherige Bundesgeschäftsführerin Caren Lay bekam einen Vizeposten. Dagegen scheiterten unter anderem die bisherige Vorsitzende Halina Wawzyniak und die nordrhein-westfälische Landessprecherin Katharina Schwabedissen. (dapd)