Göttingen. Von einem Aufbruch ist die Partei Die Linke nach der Wahl von Katja Kipping und Bernd Riexinger zur neuen Führungsspitze weit entfernt. Im Gegenteil: Das unerfahrene Duo könnte sich für die Linkspartei zu einem klassischen Eigentor entwickeln. Ein Kommentar.
Die Betonlinken um Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht haben es geschafft. Auf Teufel komm raus haben sie den Reformer Dietmar Bartsch als neuen Parteichef der Linken verhindert und stattdessen mit Bernd Riexinger einen weitgehend Unbekannten ins Amt gepresst. Wenn sich das mal nicht als grandioses Eigentor herausstellt.
Die Linke steht vor ihrer größten Zerreißprobe. Die Flügel sind so zerstritten, dass selbst die Alphatiere der Partei, Lafontaine und Gregor Gysi, munter gegeneinander keilen. Mit Katja Kipping und Bernd Riexinger hat die Linke nun eine recht unerfahrene Parteispitze, die Ruhe in den Laden bringen soll. Ob die 34-jährige Ostdeutsche und der 56-jährige Schwabe dazu das Format haben, ist mehr als zweifelhaft.
Linke-Chefin Kipping startet als die Bartsch-Verhindererin
Kipping wird vorerst einen schweren Stand haben, weil sie Teile aus dem Reformerlager gegen sich aufgebracht hat. Denn mit ihrer Kandidatur hat sie nach deren Lesart Bartsch als Parteichef verhindert. Sie wird sich also besonders die Reformer umschmeicheln müssen. Riexinger wiederum ist nur mit knappem Vorsprung gewählt worden und gilt als klarer Vertreter des Lafontaine-Flügels. Wie das Duo die Flügelkämpfe vor diesem Hintergrund beenden kann, ist völlig offen.
Mit Bartsch hätte die Linke einen gestandenen Politprofi und geschickten Organisator bekommen, der die Partei für ein Bündnis hin zur SPD hätte öffnen können. Mit dem Agenda-2010-Gegner Riexinger dürfte dies kaum möglich sein. Er mag zwar die Seele der Partei streicheln können, doch in der Bundespolitik ist er ein Neuling. Mit dieser Wahl hat die Linke ihre Parteispitze auch ein Stück weit entprofessionalisiert. Gut eineinhalb Jahre vor der Bundestagwahl ist das ein ziemlich kühnes Unterfangen.
Linkspartei muss neuer Führungsspitze eine Chance geben
Von einem Aufbruch ist die Linke mit dem neuen Spitzenduo weit entfernt. Der könnte allenfalls dann gelingen, wenn Kipping und Riexinger in der nächsten Zeit eine immense Integrationsleistung vollbringen, eine gemeinsame Linie vorgeben und dabei nach außen hin wie Pech und Schwefel zusammenhalten. Zudem müssen die Parteimitglieder trotz aller Enttäuschungen und Verletzungen der neuen Führung eine Chance geben. Die haben sie verdient! Doch wenn Kipping und Riexinger gleich von Anfang an Knüppel zwischen die Beine bekommen, wie es bei Klaus Ernst und Gesine Lötzsch der Fall war, dann haben sie keine Chance auf Erfolg.