Essen. . Hinter den Mauern des Kirchenstaates tobt offenbar ein harter Machtkampf. Es ist von Intrigen und Verrat die Rede. Der Vatikan, das Zentrum der katholischen Kirche, bietet die Kulisse für einen undurchsichtigen Palast-Krimi.
Hinter den Mauern des Vatikan geht es offenbar drunter und drüber. Der päpstliche Kammerdiener ist in Arrest, der Chef der Vatikanbank gefeuert, geheime Dokumente vom Schreibtisch des Papstes kursieren in der Öffentlichkeit – da ist von Intrige die Rede, von Rache und Verrat. Und jetzt werden auch noch vier Kardinäle genannt, die in eine Verschwörung gegen Papst Benedikt verstrickt sein sollen.
Doch die Fakten sind noch dünn. Tatsache ist bisher nur, dass seit Monaten geheime Dokumente an die Öffentlichkeit gelangt sind. „Vatileaks“ wurde die Affäre in Anspielung an die Enthüllungsplattform Wikileaks getauft. Seit einer Woche sitzt der Kammerdiener des Papstes, Paolo Gabriele, in Arrest. In seiner Wohnung sollen kartonweise geheime Dokumente gefunden worden sein. Der italienische Starjournalist Gianluigi Nuzzi hat viele der Papiere in Italien gerade als Buch veröffentlicht. Tatsache ist auch, dass parallel dazu der Chef der Vatikanbank, Ettore Gotti Tedeschi, geschasst wurde.
Kardinalstaatssekretär Bertone Zielscheibe der Enthüllungen?
Aber die Motive, die Ziele, die hinter all dem stecken, sind überhaupt noch nicht zu erkennen. Der Kammerdiener, heißt es, habe womöglich Vetternwirtschaft aufdecken wollen. Doch dann habe er, heißt es weiter, extrem naiv gehandelt. Denn statt aufzuklären, habe er vor allem dem Papst extremen Schaden zugefügt. Er stehe vor der Welt als jemand da, der seinen „Laden“ nicht im Griff hat. Deshalb vermuten andere Beobachter, mächtigere Männer stünden dahinter, die den Butler nur benutzt hätten. Wer die „Maulwürfe“, die in Rom „Raben“ genannt werden, aber sind, bleibt ein Rätsel. Und Paolo Gabriele schweigt noch. Seine Vernehmung soll in Kürze beginnen. Doch dass vier Kardinäle, wie es jetzt hieß, in eine Verschwörung gegen den Papst verstrickt seien, halten seriöse Kenner des Vatikan für eine „Räuberpistole“.
Dass hingegen der Kardinalstaatssekretär, Tarcisio Bertone, Zielscheibe der Enthüllungen ist, wird ernst genommen. Bertone stand bei fast jeder Panne, die sich in den vergangenen Jahren im Vatikan abspielte, in der Kritik. Das begann mit der Rede Benedikts in Regensburg, als es um den Islam ging und die Muslime damals weltweit empörte. Ein diplomatisch versierter Kardinalstaatssekretär, hieß es schon da, hätte vorher auf die Rede geschaut und auf sensible Passagen hingewiesen. Doch Bertone war nicht diplomatisch versiert. Als Benedikt ihn ernannte, war der Kirchenmann mit der markanten tiefen Stimme einer der ersten seit langem an der Spitze des Staatssekretariates, der nicht aus dem diplomatischen Dienst kam. Auch in der Affäre um die Aufhebung der Exkommunikation der vier Bischöfe der Piusbruderschaft und den Holocaust-Leugner Richard Williamson wurden ihm krasse Kommunikationsfehler vorgeworfen.
Unfähigkeit und Vetternwirtschaft
Unfähigkeit, Korruption und Vetternwirtschaft werden dem Vertrauten Benedikts auch jetzt wieder vorgehalten. So etwa in einem Brief von Carlo Maria Vigano an den Papst – er war eine Art Regierungschef der Vatikanstadt. Bertone habe ihn in die USA versetzt, schreibe Vigano, weil er nicht gewollt habe, dass er seine Bemühungen gegen Korruption fortsetze. Bertone soll auch hinter dem Rausschmiss Tedeschis als Chef der Vatikan-Bank stecken. Tedeschi, heißt es in Rom, sei Bertone zu weit gegangen bei dem Ansinnen, die Bank transparenter zu machen. Dabei, weiß ein Vatikan-Kenner, sei Bertone seinerzeit angetreten, um aufzuräumen im Vatikan.
Noch zerbrechen sich die Beobachter den Kopf darüber, wer und was hinter der Affäre „Vatileaks“ steckt. Doch über die Inhalte der geheimen Schreiben vom Schreibtisch des Papstes ist bisher nur wenig bekannt. Sie dürften noch mache Überraschung enthalten.