Berlin. . Wegen der personellen und politischen Spannungen in der Bundesregierung will Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für nächste Woche laut einem Zeitungsbericht einen Koalitionsgipfel einberufen. Die SPD hofft nach Röttgens Rauswurf auf eine neue Wahrnehmung Merkels in der Bevölkerung.
Der Rauswurf von Umweltminister Norbert Röttgen sowie der Streit um Betreuungsgeld und Mindestlohn sind nur einige Themen, die für Zündstoff in der Berliner Koaltion sorgen. Bundeskanzlerin Angela Merkel plant einem „Bild“-Bericht wegen der Spannungen in der Bundesregierung für kommende Woche ein Treffen mit CSU-Chef Horst Seehofer und dem FDP-Vorsitzenden Philipp Rösler.
Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) gab schon einmal die Marschrichtung vor. Sie forderte die schwarz-gelbe Koalition auf, noch vor der Bundestagswahl 2013 eine Regelung für einen tariflich vereinbarten flächendeckenden Mindestlohn zu beschließen. In der Union gebe es immer mehr Zustimmung zu tariflich festgesetzten Lohnuntergrenzen, sagte die CDU-Politikerin der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.
Die SPD hofft nach Röttgens Rauswurf auf eine neue Wahrnehmung Merkels in der Bevölkerung. "Angela Merkel hat die dunkle Seite der Macht gezeigt, sie hat sich als eiskalte Machtpolitikerin erwiesen", sagte Thüringens Wirtschaftsminister Matthias Machnig (SPD) der Zeitung "Die Welt". Daraus werde sich "ein anderes öffentliches Bild von ihr" ergeben.
Gipfel zum Wahldebakel
Der Gipfel, der dem Vernehmen nach am Dienstag oder Donnerstag nächster Woche stattfinden soll, wird sich aber auch mit der Entlassung von Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) nach dem Wahldebakel in Nordrhein-Westfalen beschäftigen. Die Kritik an Kanzlerin Merkel reißt nicht ab. CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach will den entlassenen Bundesumweltminister Norbert Röttgen nicht allein für die historische Wahlniederlage in NRW verantwortlich machen und fordert eine Debatte über die Gründe.
„Es muss jetzt endlich nüchtern und gründlich über alle Ursachen für das Desaster gesprochen werden“, sagte Bosbach der „Süddeutschen Zeitung“. Schließlich habe die CDU allein in NRW 100 000 Stimmen an die Nichtwähler verloren. Das Debakel habe mehrere Gründe, die Fehler Röttgens seien nicht alleine ausschlagend gewesen, sagte der Bundestagsabgeordnete aus dem Rheinisch-Bergischen Kreis.
Mit Röttgen als Spitzenkandidat war die CDU in Nordrhein-Westfalen am Sonntag auf nur gut 26 Prozent und damit auf ihr schlechtestes Ergebnis in dem Land abgestürzt. Röttgen hatte noch am Wahlabend seinen Posten als CDU-Landesvorsitzender abgegeben. Auch aus der Union war er kritisiert worden, weil er sich vor der Wahl nicht bereiterklärt hatte, im Falle einer Niederlage Oppositionsführer in NRW zu werden. Merkel hatte ihn am Mittwoch als Minister entlassen.
„Sehnsucht nach Stabilität“
Wann Röttgen von Bundespräsident Joachim Gauck die Entlassungs- und sein Nachfolger Peter Altmaier die Ernennungsurkunde zum Umweltminister von Bundespräsident Joachim Gauck erhalten wird, ist noch völlig unklar. Gauck macht Urlaub und Merkel reist heute zum G8-Gipfel in die USA. Innenpolitiker Bosbach kritisierte, Röttgen sei „binnen weniger Stunden vom strahlenden Hoffnungsträger der Union zum Alleinverantwortlichen für die verheerende Wahlniederlage in Nordrhein-Westfalen erklärt worden“. Das gehe ihm „viel zu schnell“.
Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) sagte der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, als Lehre aus dem Wahldebakel in Nordrhein-Westfalen komme es für ihre Partei in Berlin „jetzt darauf an, solide und verlässlich zu regieren“. Außerdem sei nun Merkel gefragt. „Sie ist unser größtes Pfund“, sagte Kramp-Karrenbauer. Nordrhein-Westfalen habe auch gezeigt, „dass es eine Sehnsucht der Bürger nach Stabilität gibt“.
Altmaier eine „solide Besetzung“
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) sieht in der Ablösung Röttgens durch Altmaier auch eine Chance. Es gehe nun darum, „das Thema Energiewende mit der Restrukturierung der Solarbranche zu verbinden und offensiv Lösungen dafür zu entwickeln“, sagte er der „Mitteldeutschen Zeitung“. Haseloff hatte sich zuletzt vehement gegen eine Kürzung der Solarförderung in der von Röttgen vorgesehenen Form eingesetzt.
Die Chefin der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, nannte die Berufung Altmaiers in der „Leipziger Volkszeitung“ eine „solide Besetzung“. Die CSU beharre aber auf der Einrichtung eines Energieministeriums. Zum Auftreten der CSU im Fall Röttgen sagte Hasselfeldt, die CSU setze die Interessen ihrer Wähler durch, „mal laut und mal leise, aber immer zielorientiert“.
Kritik aus den USA am Sparkurs
Innenpolitisch kann die Kanzlerin zunächst eine Verschnaufpause einlegen. Am heutigen Freitag fliegt sie in die USA. In Camp David, dem Landsitz von US-Präsident Barack Obama, beginnt der G8-Gipfel mit den Staats- und Regierungschefs der acht größten Wirtschaftsnationen. Doch auch in diesem Kreis dürfte Merkel wenig Sympathie entgegen schlagen.
Der von der Kanzlerin in der Euro-Krise ausgerufene strikte Sparkurs stößt nicht bei allen ihren Amtskollegen auf Zustimmung. Die USA haben Europa aufgerufen, entschlossener gegen die Krise vorzugehen, indem nicht nur gespart, sondern auch Wachstum gefördert wird. (mit dapd/afp/rtr)