Athen. Bei der Parlamentswahl haben die Griechen vor allem jene Parteien abgestraft, die sowohl für die Krise des Landes als auch für den rabiaten Sparkurs stehen. Doch Wur ist kein guter Ratgeber: Das Land droht unregierbar zu werden. Extremisten legen zu.

Die Griechen haben abgestimmt. Wofür, das ist angesichts der unklaren Mehrheitsverhältnisse im neuen Parlament aus diesem Wahlergebnis schwer herauszulesen. Diese Wahl war vor allem ein Votum der Wut. Sparen, sparen, sparen: dieses Rezept sollte Griechenland vor dem drohenden Staatsbankrott retten. Die Pleite wurde zwar vorerst abgewendet. Aber die Sanierung der Staatsfinanzen wird mehr und mehr zu einer Rosskur. Die Medizin, die Griechenlands Gläubiger dem Land verschrieben haben, zeigt schlimme Nebenwirkungen. Die Wirtschaft rutscht immer tiefer in die Rezession, die Arbeitslosenzahlen steigen von Monat zu Monat. Unter jetzt bahnt sich in Athen auch noch ein politisches Chaos an.

Das Land droht unregierbar zu werden.

Bei der Parlamentswahl am Sonntag haben die beiden großen Parteien, die den Sparkurs stützten, die Quittung für ihre Politik bekommen. Vor allem die Sozialisten, die zwei Jahre lang das Land allein regierten, bekamen den Zorn der Wähler zu spüren. Schon in Umfragen vor der Wahl erklärte fast jeder Zweite, er wolle mit seiner Stimmabgabe vor allem "protestieren und bestrafen". Aber Wut ist kein guter Ratgeber. Wer wählt um zu strafen, läuft Gefahr, am Ende sich selbst zu schaden.

Die politische Polarisierung und die Zersplitterung der griechischen Parteienlandschaft drohen das Land unregierbar zu machen und noch tiefer ins wirtschaftliche Elend zu stürzen. Griechenlands Gläubiger setzten auf eine Fortsetzung der konservativ-sozialistischen Koalition. Dafür scheint es rechnerisch nicht zu reichen. Griechenland steht vor einer äußerst schwierigen Regierungsbildung, vielleicht gar vor nochmaligen Wahlen. Selbst wenn es gelingen sollte, ein Regierungsbündnis pro-europäischer Parteien zu zimmern, die den Sparkurs fortsetzen, stünde eine solche Regierung vor unpopulären Entscheidungen an: Bis Ende Juni erwarten Griechenlands Gläubiger weitere Sparbeschlüsse. Sonst gerät die Auszahlung der Hilfskredite in Gefahr. Doch dieses Wahlergebnis zeigt: für viele Griechen ist die Schmerzgrenze bereits überschritten. Die Proteste werden weitergehen, angefeuert von den radikalen Parteien, die nach dieser Wahl Oberwasser haben.

Warnsignale in Richtung Europa

Der Einzug der Neonazis ins neue griechische Parlament und die Stärkung EU-feindlicher Parteien sind Warnsignale, die man in Europa nicht überhören darf. Griechenland steckt in einem Teufelskreis: ständig neue Sparauflagen würgen die Konjunktur immer weiter ab. Je mehr die Wirtschaft schrumpft, desto schwerer wird es, Defizite zu reduzieren und Schulden abzutragen. Griechenlands Wirtschaft braucht deshalb Wachstumsimpulse. Setzt sich die Talfahrt fort, werden sich immer mehr Griechen enttäuscht von Europa abwenden. Gefährlicher noch: Das politische Erdbeben, das diese Wahl darstellt, ist womöglich der Vorbote einer sozialen Eruption, die schnell von Griechenland auf andere Krisenländer übergreifen könnte.