Bonn. Zwei Schwerverletzte, 27 leicht verletzte Polizisten: Nach den Ausschreitungen von salafistischen Demonstranten bei einer „Pro NRW“-Kundgebung in Bonn ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen versuchten Totschlags. Die Gewerkschaft der Polizei fordert eine Einschränkung des Demonstrationsrechts.
Mit einem Gewaltausbruch gegen die Polizei haben rund 200 radikalislamische Salafisten in Bonn auf eine Aktion der rechtspopulistischen Partei Pro NRW reagiert. Als Pro-NRW-Anhänger am Samstag eine umstrittene Karikatur des dänischen Zeichners Kurt Westergaard zeigten, kam es zu einer „Explosion der Gewalt, die wir lange nicht mehr erlebt haben“, sagte die Bonner Polizeipräsidentin Ursula Brohl-Sowa am Sonntag. Ein 25-Jähriger griff mit einem Messer drei Beamten an. Dabei wurde ein 30-jährige Polizeikommissarin und ihr 35 Jahre alter Kollege schwer verletzt. Der Tatverdächtige wurde festgenommen. Gegen ihn wird wegen versuchter Tötung ermittelt.
Es flogen Flaschen und Steine auf die eingesetzten Beamten. Insgesamt 29 Beamte erlitten bei der Auseinandersetzung Verletzungen - zum Teil hätten die Salafisten mit von Zäunen abgebrochenen Latten auf die Polizisten eingeschlagen. Die Einsatzkleidung der Beamten verhinderte dabei Schlimmeres. Zudem wurden mehrere Streifenwagen beschädigt. Nachdem die Situation eskalierte, wurde die Pro-NRW-Veranstaltung abgebrochen. Allerdings seien gewaltbereite Salafisten noch für etwa eine Stunde durch den Stadtteil marodiert, sagte der Hundertschaftsführer der Polizei, Klaus Kapellner.
109 Personen wurden festgenommen. Es werde geprüft, inwieweit sie sich des Landfriedensbruchs schuldig gemacht haben, erklärte Oberstaatsanwalt Bernd König. Gegen den 25-jährigen mutmaßlichen Messerstecher dauerten die Ermittlungen an. Der gebürtige Türke stamme aus Hessen und sei bereits wegen Körperverletzungs- und Waffendelikten in Erscheinung getreten. Nach Angaben von König wurde die Tat auf Video aufgenommen. Der Tatverdächtige sollte noch im Laufe des Sonntags dem Haftrichter vorgeführt werden.
Proteste gegen „Pro NRW“ verliefen zunächst friedlich
Laut Polizei beteiligten sich knapp 30 Personen an der islamfeindichen Pro-NRW-Kundgebung. Rund 600 Gegendemonstranten fanden sich ein - darunter etwa 200 Salafisten aus dem gesamten Bundesgebiet. Zunächst sei die Gegendemonstration noch friedlich verlaufen, als die Westergaard-Karikatur gezeigt wurde, sei es aber zu einem „massiven Steinwurf und schweren Angriffen auf die Kollegen gekommen“, sagte Polizeiführer Dieter Weigel. Er habe noch nie eine solche Art der „Gewalt gegen Polizeibeamten erlebt“.
Jäger: Mehrheit der Muslime grenzt sich von Salafisten ab
Innenminister Ralf Jäger (SPD) informierte sich am Sonntag im Polizeipräsidium Bonn über die Vorfälle. Als Reaktion erließ er erneut Auflagen an die Polizei, wonach Pro NRW bis auf weiteres die umstrittene Westergaard-Karikatur nicht zeigen darf. „Die Beamten dürfen nicht gefährdet werden“, sagte er.
Es ist bereits der zweite Versuch, das Zeigen der Karikatur zu unterbinden. Beim ersten Mal hatte Pro NRW die Präsentation der Karikatur vor den Verwaltungsgerichten durchgesetzt. Er hoffe, dass die Auflagen mit Blick auf die aktuellen Vorfälle nun „Bestand hätten“, betonte Jäger. Der Innenminister verwies zudem darauf, dass es sich bei den gewaltbereiten Salafisten um eine Gruppe von rund 1.500 Personen handelt, die mit der Mehrheit der rund vier Millionen in Deutschland lebenden Muslime nicht gemein habe.
Am Samstag hatte die Partei Pro NRW zudem Kundgebungen in Aachen und Leverkusen vor dortigen Moscheen veranstaltet. Auch dort gab es Gegendemonstrationen, die allerdings ruhig verliefen. Die Auseinandersetzungen in Bonn waren die zweiten innerhalb von einer Woche: In Solingen hatten am 1. Mai Salafisten bei einer Pro-NRW-Aktion Steine auf Polizisten geworfen. Drei Beamte, ein Passant und ein Muslim wurden verletzt.
Gewerkschaft der Polizei fordert Einschränkung des Demonstrationsrechts
Der Landesverband der Gewerkschaft der Polizei (GdP) fordert eine Einschränkung des Demonstrationsrechts für polizeibekannte Gewalttäter. „Es muss in Zukunft auch im Versammlungsrecht möglich sein, zur Gefahrenabwehr Gewalttäter und Personen, die zur Gewalt aufrufen, von einzelnen Demonstrationen auszuschließen“, sagte NRW-GdP-Chef Frank Richter der WAZ Mediengruppe. Richter reagierte mit der Forderung auf die Ausschreitungen in Bonn.
Es sei nicht einzusehen, dass zwar gewalttätige Hooligans von Fußballspielen ausgeschlossen werden könnten, dies aber nicht für „polizeibekannte Gewalttäter bei Risiko-Demonstrationen“ möglich sei, „wenn bereits im Vorfeld der Demonstration erkennbar ist, dass von ihnen massive Gewalttaten ausgehen“, so Richter weiter. Eine entsprechende Änderung im Versammlungsrecht sei die einzige Möglichkeit, zu verhindern, dass „polizeibekannte Gewalttäter oder Gruppen das Demonstrationsrecht missbrauchen“. (jes/dapd)