Essen. . Mitten im Landtagswahlkampf stellen Wirtschaftswissenschaftler der rot-grünen Landesregierung in Sachen Finanzpolitik ein schlechtes Zeugnis aus. Das Analyse-Ergebnis der Forscher: Rot-Grün hat einen mangelnden Sparwillen und den Hang zum Geldausgeben.

Pünktlich zu Beginn der heißen Phase des Landtagswahlkampfes in NRW hat sich das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) die Finanzpolitik der rot-grünen Minderheitsregierung vorgeknöpft. Die Analyse, die heute veröffentlicht wird, dürfte für einigen Wirbel sorgen. Die Forscher diagnostizieren mangelnden Sparwillen und den Hang zum Geldausgeben.

So habe NRW 2011 dank der guten Konjunktur tatsächlich 3,1 Milliarden Euro mehr eingenommen als 2010. Davon seien lediglich 1,8 Milliarden Euro in die Reduzierung der Neuverschuldung geflossen – von fünf auf 3,2 Milliarden Euro. Ein großer Teil der zusätzlichen Mehreinnahmen sei mithin zur Finanzierung von Ausgaben verwandt worden. Die Forscher gestehen den Haushältern zwar zu, dass Preissteigerungen und höhere Tarifabschlüsse zu steigenden Ausgaben führen.

100 Millionen Euro für den Abbau der Neuverschuldung

Um diese Faktoren bereinigt habe NRW gleichwohl seine Ausgaben gegenüber der Planung um 800 Millionen Euro ausgeweitet. Geplant war der Abbau der Neuverschuldung nicht: NRW habe 2011 mit 900 Millionen Euro zusätzlichen Einnahmen gerechnet, davon 100 Millionen für den Abbau der Neuverschuldung. Mehr Spielraum hätten Politikwechsel und damit verbundene Ausgaben nicht gelassen. „Die Priorität lag eindeutig auf einer Erhöhung von Ausgaben, die weiterhin mit Krediten finanziert werden sollten“, so die Forscher.

Auch 2012 können die Finanzwissenschaftler keinen Sparwillen erkennen. In den Haushaltsansätzen steige die Neuverschuldung mit 3,97 Milliarden weit stärker als die tatsächliche Neuverschuldung 2011 von drei Milliarden. Und das, obwohl die Ausgaben in den Ansätzen um 5,6 Prozent steigen, die Einnahmen aber um 7,9 Prozent.

„Konsolidierung nachrangig“

Obwohl NRW 2020 laut Schuldenbremse einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen muss, findet das RWI, dass die Regierung nach der Finanzplanung bis 2015 „einer möglichst zügigen Haushaltskonsolidierung nur eine nachrangige Bedeutung“ beimisst. Grund: Die Aufnahme neuer Schulden sinke zwar von vier Milliarden Euro (2013) auf 3,3 (2014) und drei Milliarden (2015). Gegenüber der Planung von 4,8 Milliarden für 2011 ein ordentlicher Beitrag, nicht aber gegenüber der tatsächlichen Neuverschuldung von drei Milliarden. Damit komme deutlich zum Ausdruck, „dass sich die Landesregierung für die kommenden Jahre Spielräume für eine Kreditfinanzierung von Ausgaben geschaffen hat“. (tow)