Neumünster. Beim Bundesparteitag in Neumünster wurde Bernd Schlömer zum neuen Vorsitzenden der Piraten gewählt. Der bisherige Vize erhielt zwei Drittel der Stimmen. Der bisherige Piraten-Chef, Sebastian Nerz, wurde von 56 Prozent der Anwesenden Piraten gewählt - das reichte nicht aus.
Bernd Schlömer ist zum neuen Vorsitzenden der Piratenpartei gewählt worden. Der 41-Jährige setzte sich mit 66,6 Prozent der Stimmen auf dem Parteitag in Neumünster am Samstag gegen den Amtsinhaber Sebastian Nerz (56,2 Prozent) durch. Schlömer war zuletzt Vizevorsitzender der Piraten.
Die Piraten beraten in Neumünster über ihren zukünftigen Kurs. Rund 1.500 Mitglieder sind am Samstag zusammengekommen, um der Partei eine neue Struktur zu geben. Die scheidende politische Geschäftsführerin, Marina Weisband, ermahnte ihre Partei zu Beginn der Veranstaltung, sie trage eine "unheimliche Verantwortung" für die sich verändernde Gesellschaft. Ihre Partei biete der Gesellschaft ein Angebot - und das möge diese "auf Herz und Nieren prüfen", sagte Weisband. Man nehme die Piraten inzwischen ernst, "und es wird gegen uns geschossen", sagte sie.
Vorstand wird weiter jährlich gewählt
Auf der Tagesordnung der zweitägigen Veranstaltung stehen rund 200 Anträge, darunter auch grundlegende Fragen zur Struktur der 2006 gegründeten Partei. So entschieden die Mitglieder zu Beginn der Versammlung bereits, dass der Bundesvorstand weiterhin jährlich gewählt werden soll. Einen Antrag auf Änderung der Bundessatzung, wonach der Vorstand künftig nur noch alle zwei Jahre gewählt werden solle, lehnten die Parteimitglieder mehrheitlich ab. Der Vorschlag hatte vor dem Treffen für kontroverse Debatten innerhalb der Partei gesorgt.
Angenommen wurde dagegen der Antrag, den Vorstand zu vergrößern. Das siebenköpfige Gremium wird nach einer mehrheitlich geschlossenen Satzungsänderung um einen stellvertretenden Vorsitzenden und einen Beisitzer erweitert. Einen Antrag auf Trennung von Amt und Mandat lehnten die Piraten ab.
Zudem wurde eine Erklärung gegen das Leugnen des Holocausts verabschiedet. Der Holocaust sei unbestreitbar Teil der Geschichte. "Ihn unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit zu leugnen oder zu relativieren widerspricht den Grundsätzen unserer Partei", hieß es in dem Beschluss, der auf den Parteitag in Neumünster am Samstag mit großer Mehrheit gebilligt wurde. Die Partei stand zuletzt wegen rechtsextremen Äußerungen in den eigenen Reihen in der Kritik. Verschiedene Mitglieder der Piratenpartei hatten zuvor gefordert, das Leugnen des Holocausts in Deutschland zu legalisieren.
Die Partei kommt derzeit in Umfragen bundesweit auf bis zu 13 Prozent. Für die Landtagswahlen in Schleswig-Holstein am 6. Mai und Nordrhein-Westfalen am 13. Mai werden den Piraten gute Chancen eingeräumt.
Viele Avancen von den Etablierten
Die Piraten bekamen vor dem Parteitag viel Zuspruch auch von etablierten Parteien. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bezeichnet die Politik-Neulinge als "interessante Erscheinung". Merkel sagte der "Leipziger Volkszeitung": "Die Piraten sind eine relativ neue Partei, die das politische Spektrum jetzt noch vielfältiger macht." Sie widersprach der Vermutung, die Piraten kämen der Union als nützliche Helfer entgegen, weil dadurch die Mehrheitsverhältnisse für klassische Bündnisse unsicherer geworden seien.
SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann erklärte, er halte die Piratenpartei für "die neuen, besseren Liberalen". Die Piraten könnten eine historische Mission erfüllen, indem sie FDP und Linke aus den Landtagen von Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein heraushielten, sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Die FDP nannte der SPD-Politiker nicht mehr regierungsfähig. Bevor die Piraten in eine Regierung eintreten könnten, werde allerdings noch einige Zeit vergehen.
Lob von FDP und Linke
Der FDP-Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr rief seine Partei auf, sich hinsichtlich von Transparenz und Dialogformen im Internet die Piratenpartei zum Vorbild zu nehmen. Hier könnten sich die Liberalen "von den Piraten ruhig eine Scheibe abschneiden", sagte Bahr. Ob die Piraten Bestand haben oder nur eine flüchtige politische Erscheinung blieben, werde sich allerdings noch zeigen müssen.
Die stellvertretende Vorsitzende der Linken, Sahra Wagenknecht, erklärte in einem dapd-Interview, sie könne sich unter bestimmten Voraussetzungen eine Zusammenarbeit mit der Piratenpartei vorstellen. "Wenn sie eine linke, aufmüpfige, angriffslustige Partei werden würden, die für ähnliche soziale Inhalte streitet wie wir, wäre das wunderbar", sagte sie und fügte hinzu: "Dann hätten wir endlich einen Partner in den Parlamenten." Zuvor allerdings müsse sich die junge Partei inhaltlich stärker positionieren. (dapd)