Berlin. . Ein internes Schreiben des Finanzministeriums belegt: Entlastung für Steuerzahler und HartzIV-Empfänger ist verfassungsrechtlich geboten. Die Bundesregierung erhöht Druck in der Steuerdebatte. Im Bundesrat findet das Entlastungsgesetz bisher jedoch keine Mehrheit.

Mehr Geld für Hartz-IV-Empfänger, Entlastung für Steuerzahler durch höheren Freibetrag: Die Bundesregierung hält nach neuen Berechnungen eine Besserstellung für Steuerzahler und Bedürftige ab 2013 für verfassungsrechtlich zwingend geboten - und drängt deshalb auf Unterstützung für ihre aktuellen Steuerpläne.

Das geht aus einem internen Schreiben des Bundesfinanzministeriums an den Bundesrat hervor, das unserer Zeitung vorliegt. Danach muss der Staat nach neuen Daten den Regelsatz für Hartz-IV-Empfänger von heute 374 Euro im Monat auf 382 Euro im kommenden Jahr und auf 390 Euro im Jahr 2014 erhöhen; auch für Heizkosten und Miete gäbe es bei Hartz-IV-Bezug dann mehr Geld. In der Folge würde auch der steuerliche Grundfreibetrag, auf den der Fiskus nicht zugreifen darf, erhöht: Von aktuell 8004 Euro auf 8130 Euro im Jahr 2013, im Jahr darauf müsste der Freibetrag um weitere 224 Euro angehoben werden.

Entscheidung am 11. Mai

Grundlage sind neue Berechnungen für die Höhe des Existenzminimums, das der Staat steuerfrei stellen muss. Einen regulären Bericht dazu legt die Regierung im Herbst vor. Im Vorgriff darauf ermittelte das Finanzministerium aber den Bedarf, offensichtlich um neue Argumente für die schwarz-gelben Steuerpläne zu liefern: Der Bundesrat muss am 11. Mai über das 6-Milliarden-Steuerentlastungsgesetz entscheiden, das bereits unter anderem auch einen höheren Grundfreibetrag vorsieht - und daneben eine Tarifänderung, um die „kalte Progression“ abzumildern. Doch bislang droht dieses Gesetz im Bundesrat am Widerstand von SPD und Grünen zu scheitern, auch unionsgeführte Länder haben wegen der Steuerausfälle Bedenken. SPD und Grüne haben erklärt, sie würden sich einem höheren Grundfreibetrag nicht verweigern, wollen aber erst den regulären Bericht abwarten.

Bei einer Abstimmung im federführenden Finanzausschuss der Länderkammer fand das Steuerentlastungsgesetz gestern keine Mehrheit, wie unsere Zeitung erfuhr.

„Jede Entlastung reißt nur Löcher“

NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) sagte der WAZ-Mediengruppe, die schwarz-gelben Steuerpläne seien ein weiteres Beispiel für den Etikettenschwindel der Regierung: „Jeder Euro Steuerentlastung reißt nur neue Löcher, die mit dem Abbau staatlicher Leistungen gestoppt werden müssen. Das trifft immer die Kleinverdiener.“ Finanz-Staatssekretär Hartmut Koschyk (CDU) warnte dagegen in dem Schreiben, ein Zuwarten bei der Anhebung des Grundfreibetrags sei „weder verfassungsrechtlich noch gegenüber der Lebenssituation konkret betroffener Bürger zu verantworten.“

Mehrere Bundesländer plädieren unterdessen für zusätzliche Steuervereinfachungen und eine weitere Anhebung des Arbeitnehmer-Pauschbetrags. In einem Elf-Punkte-Plan schlagen Hessen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Bremen eine Erhöhung des Pauschbetrags um 150 auf 1150 Euro im Jahr vor. Die Länder wollen Anfang darüber beraten.