Los Angeles/Kabul. . Neue Vorwürfe zu Leichenschändungen durch US-Soldaten in Afghanistan: Der „L.A. Times“ liegen Fotos vor, die zeigen, wie US-Soldaten sich mit den Überresten von Selbstmordattentätern in Afghanistan ablichten ließen. Die USA startete eine Untersuchung.
Die US-Armee sieht sich bei ihrem Afghanistan-Einsatz erneut Vorwürfen ausgesetzt, ihre Soldaten hätten Leichen von Aufständischen geschändet. Die „Los Angeles Times“ berichtete am Mittwoch über Fotos aus dem Jahr 2010, auf denen US-Soldaten mehrfach mit den Überresten von Selbstmordattentätern posiert hätten. US-Verteidigungsminister Leon Panetta verurteilte das Verhalten der US-Soldaten „strengstens“.
Der erste Vorfall habe sich im Februar 2010 ereignet, als Fallschirmspringer der 82. Luftlande-Division zu einem Stützpunkt der afghanischen Polizei in der Provinz Sabol entsandt worden seien, berichtete die „L.A. Times“. Dort sollten sie die Überreste eines angeblichen Selbstmordattentäters untersuchen, um seine Identifizierung zu ermöglichen. Statt dessen hätten sie Fotos gemacht, auf denen sie die Überreste des Attentäters hochgehalten hätten oder sich neben sie hinhockten.
USA leiten Untersuchung ein
Einige Monate später habe dieselbe Einheit den Auftrag bekommen, die Leichen von drei Aufständischen zu untersuchen, die sich laut afghanischer Polizei versehentlich selbst in die Luft gesprengt hatten. Zwei US-Soldaten hätten sich dabei für Fotos in Szene gesetzt, bei denen sie die Hände der Toten mit ausgestrecktem Mittelfinger hochhielten. Ein weiterer US-Armeeangehöriger habe eine inoffizielle Plakette der Einheit neben die anderen Leichen gelegt, auf „Zombie Hunter“ („Zombie-Jäger“) zu lesen ist, und ein Foto gemacht.
Die zwei Jahre alten Bilder „repräsentieren keinesfalls die Werte oder den Professionalismus der überwältigenden Mehrheit der US-Soldaten, die heute in Afghanistan dienen“, erklärte ein Pentagon-Sprecher am Rande eines Treffens der Nato-Verteidigungs- und Außenminister am Mittwoch in Brüssel. Es sei eine Untersuchung eingeleitet worden, die zu Disziplinarmaßnahmen führen könne. Die Verantwortlichen für dieses „menschenverachtende Verhalten“ würden im Rahmen der US-Militärjustiz zur Rechenschaft gezogen.
Der Sprecher kritisierte die Veröffentlichung der Bilder durch die Zeitung entgegen einer ausdrücklichen Bitte des US-Verteidigungsministeriums. Die Bilder könnten nun genutzt werden, um in Afghanistan zur Gewalt gegen US-Soldaten und afghanische Sicherheitskräfte aufzurufen.
Zeitung entschließt sich für Veröffentlichung
Laut „Los Angeles Times“ bat die US-Armee die Zeitung nach Bekanntwerden der Vorfälle, die Fotos nicht zu veröffentlichen. Zeitungsherausgeber Davan Maharaj erklärte jedoch, die Zeitung habe sich „nach sorgfältiger Prüfung“ entschlossen, „eine kleine, aber repräsentative Auswahl“ zu publizieren. Denn die „L.A. Times“ sehe sich gegenüber ihren Lesern in der Pflicht, „unparteiisch über alle Aspekte des amerikanischen Einsatzes in Afghanistan zu berichten“. Am Mittwoch waren Fotos von US-Soldaten mit Leichenteilen auf der Website der Zeitung zu sehen.
Der Bericht kommt in einer Zeit, in der die Beziehungen der USA zur afghanischen Regierung wegen einer Reihe von Vorfällen stark belastet sind. Im Januar hatte ein Video für Empörung gesorgt, auf dem US-Marineinfanteristen zu sehen sind, wie sie auf die Leichen getöteter Aufständischer urinieren. Mitte Februar hatte die Verbrennung von Koran-Exemplaren auf einem US-Stützpunkt heftige Proteste gegen die Vereinigten Staaten ausgelöst. Im März soll ein US-Soldat bei einem Massaker 17 Menschen in Afghanistan getötet haben, darunter vornehmlich Frauen und Kinder. (afp)