Berlin. . Das von der Bundesregierung geplante Betreuungsgeld stößt bei Experten der OECD auf Skepsis: Die so genannte „Herdprämie“ setze falsche Anreize und verstärke den Trend, dass die Kluft zwischen Verdiensten von Männern und Frauen in Deutschland weiter wächst.

Die OECD rät der Bundesregierung von der Einführung des Betreuungsgeldes ab. „Frauen in Deutschland arbeiten überdurchschnittlich oft in Teilzeitbeschäftigung und weisen eines der höchsten Lohngefälle gegenüber männlichen Beschäftigten auf“, sagte der Deutschland-Experte der Industriestaaten-Organisation, Andreas Wörgötter. „Das Kinderbetreuungsgeld verstärkt Anreize in diese Richtung und verringert die Möglichkeiten der Kinder, hochwertige Betreuungseinrichtungen mit kindgerechten Förderungen in Anspruch zu nehmen.“

In der Regierungskoalition wächst der Widerstand der Betreuungsgeld-Gegner. Nach dem Brief von 23 CDU-Parlamentariern an Unions-Fraktionschef Volker Kauder lehnte ein weiterer CDU-Bundstagsabgeordneter die von der CSU forcierte Einführung in einem gemeinsamen Schreiben ab. Sie ist für 2013 vorgesehen.

Merkel für das Betreuungsgeld

Auch der Koalitionspartner FDP hat erhebliche Vorbehalte. Regierungssprecher Steffen Seibert hatte allerdings am Montag erklärt, die politische Entscheidung für das Betreuungsgeld sei gefallen. Nun werde die Umsetzung in Angriff genommen.

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) stellt die Bundesregierung wegen ihrer Familienpolitik regelmäßig an den Pranger. In keinem anderen europäischen Land ist nach ihren Berechnungen das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen so groß wie in Deutschland. Vollzeitbeschäftigte Frauen verdienen demnach durchschnittlich 21,6 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. In den 34 Industriestaaten, die sich in der OECD zusammengeschlossen haben, liegt die Differenz im Schnitt bei 16 Prozent.

Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt nannte das Betreuungsgeld grundverkehrt. "Ich hoffe sehr, dass die Koalition von diesem unsinnigen Vorhaben Abstand nimmt" , sagte Hundt der "Bild"-Zeitung. Das Betreuungsgeld sei teuer und setze Anreize, nicht zu arbeiten. Zudem berge es auch die Gefahr, dass gerade Kinder nicht von der Kinderbetreuung profitieren, für deren Entwicklung das besonders wichtig wäre.

Dem Bund drohen höhere Kosten

Die Kosten für das umstrittene Betreuungsgeld könnten unterdessen deutlich höher ausfallen als von der Regierung geplant. Berechnungen der "Financial Times Deutschland" zufolge könnten jährlich Eltern von rund 1,1 Millionen Kindern die geplante Zahlung in Anspruch nehmen. Das seien rund 445.000 mehr als nach den Plänen der Regierung, berichtete die Zeitung in ihrer Dienstagsausgabe. Vor allem der schleppende Ausbau der Kinderbetreuung für unter Dreijährige treibe die Kosten für das Betreuungsgeld in die Höhe.

Nach Angaben des Familienministeriums ist das Betreuungsgeld im Finanzplan des Bundes im Jahr 2013 mit 400 Millionen Euro eingeplant, danach mit jährlich 1,2 Milliarden Euro. "Das ist sehr knapp gerechnet und liegt am unteren Rand unserer Schätzung", sagte Holger Bonin vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim der "FTD". Das ZEW geht demnach von Kosten in Höhe von rund zwei Milliarden Euro jährlich aus, da nicht genügend Betreuungsplätze zur Verfügung stehen. (rtr/dapd)