Berlin. . Als Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde wurde der vermutlich nächste Bundespräsident Joachim Gauck von fast allen Seiten kritisiert. Das hat der ehemalige Pastor gut ausgehalten. Obwohl sein Einsatz von ehemaligen hauptamtlichen Stasi-Mitarbeitern noch heute als eher fragwürdig gilt.

Als „Wanderprediger der Demokratie“ hat sich Joachim Gauck einmal bezeichnet und allzu bescheiden als „Bürger, der mitredet“. Er gilt als moralische Instanz, als begnadeter Redner. Doch hinter dem freundlichen Wesen des ehemaligen Pfarrers verbirgt sich mehr: Gauck kennt sich im politischen Geschäft um einiges besser aus, als er heute zeigt. Nur mit taktischem Geschick, mit Härte, Stehvermögen und viel Streitlust hat der 72-Jährige die zehn Jahre an der Spitze der „Gauck-Behörde“ überstehen können.

Bequem war der Posten als Herr über die sensiblen Stasi-Akten, den Gauck bis 2001 ausübte, nie. Mit dem damaligen Kanzler Helmut Kohl, der von der Akten-Aufbewahrung nicht viel hielt, hatte er ebenso bis zuletzt Streit wie mit einigen SPD-Politikern, die bald für einen Schlussstrich plädierten. Die PDS hat ihn als „Pfarrer Gnadenlos“, der ostdeutsche Bürger denunziere, beschimpft. Früheren DDR-Bürgerrechtlern war er bei der Aufarbeitung der Stasi-Hinterlassenschaften nicht konsequent genug. Noch heute wird Gauck bei Veranstaltungen der Bürgerrechts-Szene auch schon mal ausgebuht.

Gesetz gegen Gaucks Entscheidung

Aber ein Kapitel seiner Amtszeit hat bis heute Brisanz: Die schwarz-gelbe Koalition hat erst 2011 ein Bundesgesetz durchgesetzt, das allein eine umstrittene Entscheidung aus Gaucks Anfangsjahren revidieren sollte. Es geht um die Beschäftigung früherer hauptamtlicher Stasi-Mitarbeiter. Gauck war am 3. Oktober 1990 Chef der neuen, im Aufbau befindlichen Stasi-Unterlagenbehörde geworden, erst wenige Tage vorher hatte ihn die DDR-Volkskammer gewählt. Gauck, damals Abgeordneter für das Neue Forum, hatte im Parlament gut drei Monate einen Sonderausschuss zur Auflösung der Stasi geleitet und sich dabei einen Namen gemacht. Doch unter den Mitarbeitern, die der neue Chef zur Aufarbeitung der Millionen Stasi-Akten einstellte, waren erstaunlich viele ehemalige Stasi-Kader – zum Teil ranghohe Offiziere. Gauck selbst sprach später von einer „kleinen Gruppe“, auf deren Spezialkenntnisse nicht verzichtet werden könne. Gelegenheit zur Akten-Manipulation hätten die Ex-Geheimdienstler nicht, ohnehin seien sie loyal, versicherte er.

An die 70 ehemals hauptamtliche Stasi-Mitarbeiter eingesetzt

Auf eine Bundestags-Anfrage gab die Gauck-Behörde 1997 an, 15 einst hauptamtliche Stasi-Mitarbeiter seien noch beschäftigt. In Wahrheit lag die Zahl bei über 50, zeitweise eher bei 70. Das kam erst 2007 durch ein neues Gutachten heraus: „Parlament und Öffentlichkeit wurden getäuscht“, urteilten die Gutachter im Auftrag von Kultur-Staatsminister Bernd Neumann (CDU). Aber da war Gauck nicht mehr im Amt.

Kritik an seiner Personalpolitik gab es früh. „In dieser Behörde ist der Geist der DDR-Bürokratie konserviert“, ätzte der Dresdner CDU-Politiker Arnold Vaatz. Viel Unmut gab es, weil Gauck die Historiker Armin Mitter und Stefan Wolle feuerte, nachdem sie ein Gutachten über den damaligen CDU-Vize Lothar de Maizière als für die Regierung geschönt kritisiert hatten. „Gauck hat immer sehr staatsnah agiert, er hat politische statt Bürgerinteressen vertreten“, kritisiert der DDR-Oppositionelle Reinhard Schult, der die Stasi-Zentrale 1990 mit besetzt hatte.

Roland Jahn über die Ziele der Stasi im Westen

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    „Beweis für die Notwendigkeit nie erbracht“

    Der heutige Chef der Stasi-Unterlagenbehörde, Roland Jahn, meint, die verantwortete Weiterbeschäftigung von Stasi-Leuten sei ein Fehler gewesen. Der Beweis für die Notwendigkeit sei nie erbracht worden. Auf Jahns Initiative hin sollen die 45 verbliebenen Ex-Stasi-Mitarbeiter seiner Behörde in andere Bundesbehörden versetzt werden. Gauck hat die Auseinandersetzungen um die Stasi-Leute ebenso unbeschadet überstanden wie Angriffe früherer SED-Kader.