Berlin. Am Weltfrauentag schlüpfen Bundestagsabgeordnete der Linkspartei in so genannte “Frauenberufe“. Fraktionschef Gregor Gysi hospitiert als Erzieher in einem Berliner Kindergarten: „Auf Augenhöhe“, wie die Kindergartenleiterin findet.
„Der Gregor wird heute den ganzen Tag bei euch bleiben und ein paar schöne Stunden verbringen“, ruft Ramona Herzberg, die Leiterin der Kindertagesstätte Waldspielhaus, ihren Schützlingen über die Fotografen und Kameraleute hinweg zu. Der Gregor heißt mit Nachnamen Gysi und wenn er keine Knirpse hütet, ist er Fraktionschef der Linken im Bundestag.
Von Journalisten umringt sitzt er an diesem Vormittag an einem winzigen Frühstückstisch, auf einem Miniaturstuhl und hilft dem Mädchen neben ihm beim Schmieren eines Butterbrotes. Anlässlich des Weltfrauentags überlässt er die politische Arbeit im Plenarsaal für einen Tag ganz den weiblichen Genossinnen und übt sich stattdessen in einem „typischen“ Frauenberuf: Gregor Gysi als Erzieher.
„Wir schenken den Kitas viel zu wenig Aufmerksamkeit“, findet er, „und schlecht bezahlt ist der Beruf noch dazu – obwohl hier so wichtige Arbeit geleistet wird.“ Mit den Tagespraktika in so genannten Frauenberufen von der Friseurin bis zur Putzfrau wolle die Linke ein Zeichen setzen und solche Tätigkeiten symbolisch würdigen.
Tagespraktikum in der Wald-Kita
Gysi hat sich für ein Tagespraktikum in einer Wald-Kita in seinem Wahlkreis Treptow-Köpenick entschieden. Der Herausforderung Kindergeschrei fühlt er sich gewachsen: „Das ist ganz wie in der Fraktion: Wenn alle anderen durchdrehen, bin ich ganz ruhig.“ Zunächst sind die Kinder aber eingeschüchtert von den vielen Journalisten, die Gysi im Kindergarten erleben wollen. Der Politprofi hat selbst drei Kinder großgezogen und bleibt souverän – im Blitzlichtgewitter wie im Smalltalk mit den Kleinen: „Was gibt es denn da bei dir zum Frühstück? Freut ihr euch schon, dass wir gleich raus gehen?“ Anton, Elisa und der Rest der Waldgruppe geben bereitwillig Antwort, erzählen, dass sie bald in die Schule kommen und was sie gerne spielen.
„Er macht sich gut. Ist auf Augenhöhe mit den Kindern und kennt die richtigen Türöffner“, lobt Kita-Leiterin Herzberg. Sie würde sich mehr männliches Personal wünschen: „Männer sind manchmal rationaler und klarer. Oft trauen sie den Kindern mehr zu als wir Frauen.“
Gysi spielt beim Elefantenlied mit
Später dann geht es hinaus in den Wald – wie jeden Tag bei Wind und Wetter. Gysi macht mit, was für die Erzieherinnen zum Alltag gehört: Er hilft beim Regenjacken-Anziehen, spielt mit beim Elefantenlied in der Morgenrunde und schleppt Baumstämme durch das Unterholz.
„Was ich an Kindern so mag, ist ihre absolute Ehrlichkeit“, sagt Gysi. Und tatsächlich sind es die Kinder, die ihn daran erinnern, dass eine Auszeit vom Politikbetrieb für einen Tag sehr lohnenswert sein kann:
Auf seine Frage „Wisst ihr eigentlich, was Politiker so machen?“ lautet die Antwort aus unverblümtem Kindermund: „Die streiten sich!“