Berlin. Die Auffassung, der russische Präsident Wladimir Putin sei nach wie vor ein “lupenreiner Demokrat“ hat Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder in Berlin weitgehend exklusiv. Politiker aller Parteien kritisieren den Altkanzler für seine Äußerungen über seinen Kumpel Putin. Auch die Bundesregierung distanzierte sich von dem SPD-Politiker.
Altbundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat mit seiner Kritik an den internationalen Wahlbeobachtern in Russland parteiübergreifend Empörung ausgelöst. In einem am Mittwoch gesendeten Interview mit dem Deutschlandfunk sagte Schröder, er sei sich bei manchen der Wahlbeobachter "nicht so ganz sicher, ob da nicht Vorurteile größer sind als Urteile". Er halte an seiner Einschätzung fest, dass der designierte russische Präsident Wladimir Putin ein "lupenreiner Demokrat" sei. "Ich habe daran nichts abzustreichen", sagte Schröder.
Die Bundesregierung distanzierte sich von Schröders Äußerungen. Sie habe "überhaupt keine Anhaltspunkte, dass die Befunde der internationalen Wahlbeobachter durch Vorurteile gelenkt worden seien", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Deren Kritikpunkte müssten im Gegenteil "ernst genommen werden". Die internationalen Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und andere Gruppen hatten erhebliche Unregelmäßigkeiten bei der Wahl am Sonntag kritisiert.
Auch die SPD widerspricht Gerhard Schröder
Mit seiner positiven Einschätzung Putins stand der Altkanzler in Berlin weitgehend allein da. "Gerhard Schröder ist Putins bestbezahlter Minnesänger", sagte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe zu "Spiegel Online". "Für Gazprom-Gerd gilt offensichtlich die alte Regel: Wes Brot ich ess, des Lied ich sing." Schröder ist Vorsitzender im Aufsichtsgremium der Ostsee-Pipeline Nord-Stream zwischen Russland und Deutschland. Mehrheitseigner ist der russische Gasriese Gazprom.
Auch in der SPD stießen Schröders Äußerungen auf Widerspruch. "Wenn die OSZE-Wahlbeobachter in Russland Fälschungen und Manipulation festgestellt haben, ist es nahezu eine Frechheit, ihnen Vorurteile zu unterstellen", sagte der Juso-Vorsitzende Sascha Vogt der "Welt" (Donnerstagsausgabe).
Grünen-Chefin Claudia Roth erklärte: "Ich bin mir nicht ganz sicher, ob bei der Einschätzung von manchen Putin-Spezeln aus Deutschland nicht die Wertschätzung für die eigenen Interessen größer ist als das Eintreten für die Interessen der Menschen in Russland." Schröder hatte in dem Interview namentlich die Grünen-Politikerin und Wahlbeobachterin Marieluise Beck kritisiert. (afp)