Dresden. Zum zweiten Mal in einer Woche haben Tausende Menschen in Dresden gegen Rechtsextremismus protestiert. 2.000 Menschen versammelten sich am Samstag bei einer parteiübergreifenden Kundgebung auf dem Schlossplatz, bis zu 10.000 Teilnehmer kamen zu einer Großdemonstration durch die Stadt.
Ein bunt gestreiftes Zebra ist auf dem Transparent zu sehen, das Wolfsburger Gewerkschafter vor den Stufen der Brühlschen Terrasse in Dresden aufspannen. Darunter begründen sie in deftigen Worten, warum sie in die sächsische Landeshauptstadt gekommen sind: "Den faschostinkebraunen Dreckmist braucht kein Zebra", ist zu lesen. Die IG-Metall-Mitglieder wollten sich in den Protest gegen einen Nazi-Aufmarsch einreihen, der ursprünglich für diesen Samstag geplant war.
Was es mit dem Zebra genau auf sich hat, wissen die Gewerkschafter allerdings selbst nicht so genau. Nur eins ist klar: So einen Mist wie braun-schwarzes oder schwarz-weißes Denken dürfe es nicht geben. Obwohl der Nazi-Aufmarsch abgesagt wurde, sind sie frühmorgens in den Bus gestiegen: "Wir sind alle Überzeugungstäter", sagt ein Gewerkschafter.
Das würden nicht alle der 2.000 Teilnehmer der Kundgebung von sich sagen. Die Veranstaltung, zu der die Stadt und eine Arbeitsgruppe 13. Februar eingeladen haben, ist ein Novum: Erstmals haben alle Parteien von CDU bis Linke zum gemeinsamen Protest gegen Rechtsextremismus aufgerufen. Vor der Bühne, auf der unter anderem Prinzen-Sänger Sebastian Krumbiegel auftritt, stehen CDU-Ministerpräsident Stanislaw Tillich, Vertreter der mitregierenden FDP, der Opposition, der evangelischen Landeskirche und der Gewerkschaften.
Parteien stritten lange über die Protestformen gegen Neonazis
Das war nicht immer so: In früheren Jahren hatte es viel Streit darüber gegeben, ob sich Protest gegen Nazis und stilles Gedenken an die Opfer der Dresdner Zerstörung vertragen. Dass es diesmal anders ist, findet viel Lob. Es sei "wichtig, dass alle zusammen die Demokratie und die Werteordnung des Grundgesetzes verteidigen", sagt der frühere SPD-Bundespolitiker Hans-Jochen Vogel, der als Hauptredner auftritt.
Die 80-jährige Nora Lang, Überlebende der Zerstörung Dresdens im Februar 1945, bezeichnet die Kundgebung als einen "Auftakt für die demokratischen Kräfte, sich vereint für Demokratie und Frieden einzusetzen". Die jahrelange Vereinnahmung des Gedenkens durch Nazis verurteilte sie scharf: "Das ist nicht in unserem Namen", sagt sie.
Ursprünglich waren zu der Veranstaltung deutlich mehr Teilnehmer erwartet worden. Den Bürgern sollte so die Gelegenheit gegeben werden, in Sicht- und Hörweite gegen die erwartete Nazi-Demo zu protestieren. Weil diese abgesagt wurde, blieben viele Dresdner zu Hause. "Ich hätte mir ein paar Tausend mehr gewünscht", räumt Frank Richter, Moderator der Arbeitsgruppe 13. Februar, ein. Anderenorts in Dresden wurde mit Gottesdiensten und Mahnwachen gegen Rechtsextremismus protestiert.
Über mangelnden Zulauf für ihre Demonstration können sich die Organisatoren des Bündnisses "Dresden Nazifrei" hingegen nicht beklagen. Zwei Drittel der 10.000 Demonstranten seien von außerhalb gekommen, sagt Bündnis-Sprecher Stefan Thiele. Mit 100 Bussen und der Bahn reisten sie aus Ländern wie Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, Hamburg und Nordrhein-Westfalen an. "Die Neonazis haben ihren Aufmarsch zwar abgesagt, aber wir nutzen trotzdem die Gelegenheit, um gegen Rechtsextremismus zu demonstrieren", sagt eine junge Frau aus Greifswald. Für Rechtsextreme sei kein Platz in Deutschland.
"Die Nazis sind sicher echt gefrustet"
Einige wenige Demonstranten haben bunte Faschingskostüme angezogen. Über Lautsprecherwagen erklingt Punkmusik. Teilnehmer rufen Parolen wie "Kein Fußbreit den Faschisten" oder "Hoch die internationale Solidarität". Über den Köpfen einiger Teilnehmer wehen Fahnen des Attac-Netzwerkes, der Gewerkschaft IG Metall und der Linkspartei. "Die Nazis sind sicher echt gefrustet wegen der Gegenproteste", freut sich eine 25-jährige Doktorandin aus Greifswald.
Die Rechtsextremisten hatten den für Samstag geplanten Aufmarsch abgesagt. Bereits am vergangenen Montag war es Tausenden friedlichen Neonazi-Gegnern gelungen, darauf hinzuwirken, dass ein Aufmarsch von Rechten vorzeitig beendet werden musste.
Als der kilometerlange Protestzug an der sächsischen Staatskanzlei, dem Regierungssitz, vorbeizieht, werfen Demonstranten Farbbeutel gegen das Gebäude, einige Böller fliegen. Ansonsten bleibt die Lage nach Einschätzung der Polizei friedlich. Lediglich nach der Demonstration werfen einige Autonome laut übereinstimmenden Augenzeugenberichten mit Flaschen nach Polizisten. Die Beamten wehren sich mit Reizgas, kurz danach ist wieder Ruhe. Tausende Teilnehmer kehren friedlich zurück zu ihren Bussen, um die Heimreise anzutreten. (dapd)