Werl. . Abtrünnige Linke bescheren den Piraten in NRW ihre erste Stadtratsfraktion in Werl. Insgesamt sieben ehemalige Linke sind in Werl geschlossen zu den Piraten übergelaufen. DerWesten fragte Stadtratmitglied und Überläufer Matthias Fischer (40), ob er das Zeug zum echten Piraten hat. Zum Trollen und Twittern ist der neue Pirat zumindest nicht geeignet.
Sind Sie fürs Trollen geeignet, Herr Fischer?
Matthias Fischer: Mit Sicherheit nicht. Trollen hin oder her. Ich weiß gar nicht genau, was das alles ist.
„Trollen - das Einnehmen kontroverser Diskussionspositionen einzig zu dem Zweck, die Diskussion zu sabotieren“, ist Teil der Piratenkultur, heißt es im Piraten-ABC für Neumitglieder und Interessierte auf der Piratenwebseite.
Fischer: Das ist internes Piratenvokabular. Es gibt in der Partei auch Mitglieder, die das Trollen nicht aus dem Effeff beherrschen und trotzdem gute Piraten sind.
Haben Sie die Piraten denn außer dem Trollen inhaltlich überzeugt?
Fischer: Ja, die Aufbruchbereitschaft und die offene Diskussion mit den Bürgern. Ein gutes Beispiel für fehlende Bürgerbeteiligung ist die Art und Weise, wie der Euro eingeführt wurde. Bei so einer wichtigen Entscheidung hätten die Bürger zwingend gefragt werden müssen. Gleiches gilt jetzt für den ESM. Die Piraten können durch ihre Vernetzung den Bürger bei solchen Fragen miteinbeziehen.
Warum haben Sie nicht versucht solche Ziele bei den Linken umzusetzen? Sie waren zu siebt und hätten zumindest in Werl die Partei verändern können.
Fischer: Was bei den Linken im Kreis Soest abging, war einfach nicht mehr tragbar. Vor allem der Umgang mit Iris Paulin zeigte, dass wir mit einer Partei keine Politik machen können, die demokratische Entscheidungen nicht akzeptiert.
Paulin wurde demokratisch gewählt und einfach wieder von der Liste gestrichen. Der Fall ging sogar vor das Schiedsgericht der Linken in NRW. Dieser bedingungslose Gehorsam, der bei den Linken gefordert wird, hat uns dazu bewegt, auszutreten.
Und warum die Piraten?
Fischer: Bei den Piraten haben wir den Eindruck, dass dort Basisdemokratie stattfindet. Es gibt dort keine alten Seilschaften wie bei anderen Parteien. Die Piratenmitglieder kommen ja auch vorrangig aus den Nichtwählergruppen.
Sie sind Mitglied der ersten Stadtratsfraktion der Piraten in NRW, sind aber nicht als Pirat gewählt worden. Müssten Sie nicht ihr Amt ablegen, wenn Sie es mit der Basisdemokratie ernst meinen?
Fischer: Nein. Ich bin ja als Bürgermeisterkandidat mit meinem Namen angetreten und habe bei der Wahl auch mehr Stimmen erhalten als Die Linke. Zudem habe ich den Auftrag für mein Amt von den Basis-Linken erhalten, die jetzt vollständig mit zu den Piraten gewechselt sind. Ich habe vor dem Wechsel die Basis gefragt, was ich mit dem Amt machen soll. Gemeinsam wurde entschieden, dass ich das Amt behalte.
Sie wurden in den Medien als politischer Provokateur bezeichnet und gelten als aufbrausend. Wird sich an ihrem Politikstil als Pirat etwas ändern?
Fischer: Nach solchen Bemerkungen über charakterliche Eigenschaften würde am Prenzlauer Berg kein Hahn und keine Henne krähen.
Viele Piraten geben bewusst Privates von sich an die Öffentlichkeit, um zu zeigen, dass Politiker „normale“ Menschen sind. Werden sie als Pirat nun auch Privates mit der Politik verbinden und twittern?
Fischer: Nein, ich will schon noch eine geschützte Privatssphäre haben. Soziale Netzwerke sind gut, sollten aber verantwortungsvoll genutzt werden.