Kairo. Ägypten feiert heute den Beginn der Revolution, die nach 30 Jahren die Herrschaft von Machthaber Husni Mubarak beendete. Doch vielen Menschen ist nicht nach Feiern zumute. Das Land ist tief gespalten.

Armee, Islamisten und Demonstranten stehen sich misstrauisch bis feindselig gegenüber. Während der regierende Militärrat den 25. Januar zum Feiertag erklärt hat, den er mit Militärparaden und Feuerwerk begehen will, rufen die jugendlichen Revolutionäre von einst zu neuen Massenprotesten auf.

Am 25. Januar 2011 war es in dem größten Land der arabischen Welt zu ersten großen Demonstrationen gegen den seit 1981 regierenden Mubarak gekommen, die sich zu wochenlangen Massenprotesten ausweiteten. Mubaraks Sicherheitskräfte gingen brutal gegen die Demonstranten auf dem Tahrir-Platz vor: Im Zuge der Proteste starben fast 850 Zivilisten. Am 11. Februar erfolgte unter dem Druck der Massen Mubaraks Rücktritt. Seit August steht er nun in Kairo vor Gericht. Dem einstigen Machthaber droht in dem Prozess die Todesstrafe.

Vor dem ersten Jahrestag des Volksaufstands ist die Lage alles andere als ruhig. Die Feierlichkeiten finden unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen statt. Der Militärrat warnte bereits, er werde nicht zulassen, dass das Land im „Chaos“ versinke. Die Warnung richtet sich an die Demonstranten auf dem symbolträchtigen Tahrir-Platz, die seit Monaten die sofortige Übergabe der Macht an eine zivile Regierung verlangen und längst eine zweite Revolution wollen.

Demonstranten fordern eine zweite Revolution

Für heute haben sie zu neuen Massenprotesten gegen die Armeeführung aufgerufen. Die pro-demokratische Bewegung des 6. April fordert die Ägypter dazu auf, auf die Straße zu gehen, um nicht wie von der Regierung gewünscht „die Revolution zu feiern, sondern um die Ziele der Revolution voranzutreiben“.

Ebenfalls für den Feiertag hatte der Militärrat am Dienstag überraschend eine Aufhebung des seit mehr als drei Jahrzehnten geltenden Ausnahmezustands angekündigt - allerdings nicht vollständig, wie von der Protestbewegung gefordert. Bei der Verfolgung von Gewaltverbrechen sollen die Notstandsgesetze, die unter anderem Militärprozesse gegen Zivilisten ermöglichen, offenbar weiterhin gelten.

Erste Proteste gegen den Militärrat gab es in Kairo bereits am Montag, als das Parlament zu seiner ersten Sitzung zusammenkam. Aus der ersten Wahl nach dem Ende der Mubarak-Ära waren die islamistischen Parteien als klare Sieger hervorgegangen. Zusammen stellen sie fast drei Viertel der Abgeordneten. Eine ihrer wichtigsten Aufgaben ist die Ausarbeitung einer neuen Verfassung. Dabei geht es um so heikle Frage wie die künftige Stellung des mächtigen Militärs.

Islamistische Parteien siegten bei den ersten Parlamentswahlen

Die Muslimbrüder, die mit rund 47 Prozent der Stimmen die großen Sieger der Parlamentswahlen waren, distanzierten sich über ihren obersten Führer Mohammed Badie von den Demonstrationsaufrufen. Die gemäßigten Islamisten, die unter Mubarak jahrzehntelang verboten waren, fürchten, dass das „Ansehen“ der Armee beschädigt wird, und lehnen die Idee einer „zweiten Revolution“ ab. Offenbar um den liberalen Gruppen entgegenzukommen, fordern sie neuerdings aber, den bislang geheimen Militärhaushalt unter die Kontrolle des Parlaments zu stellen.

Doch nicht nur die politische Lage birgt Zündstoff für weitere Konflikte. Seit Beginn des Volksaufstands ist die ägyptische Wirtschaft massiv eingebrochen. Vor allem Investitionen aus dem Ausland und die Zahl der Touristen gingen zurück. Amr Haschem Rabie vom Al-Ahram-Zentrum für strategische und politische Studien in Kairo verweist ein Jahr nach Beginn der Revolution zwar auf „Errungenschaften wie freie Wahlen“. Gleichzeitig gebe es aber noch eine Vielzahl politischer, wirtschaftlicher und sozialer Probleme. „All das sorgt nicht für eine gute Atmosphäre, um den 25. Januar zu feiern.“

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) fordert einen raschen Machtwechsel hin zu einer Zivilregierung. „Entscheidend bleibt die baldige und vollständige Übergabe der Macht in demokratisch legitimierte Hände“, sagte er laut einem Medienbericht. Für dieses Ziel seien „Millionen von Menschen in Kairo und ganz Ägypten auf die Straße gegangen“. (afp)