München. . Das Bundesland Bayern soll Saif al-Arab Gaddafi, dem Sohn des libyschen Ex-Diktators, die Einreise erleichtert haben. 2007 habe der Freistaat auf ein Visumsverfahren verzichtet - und hat sich damit angeblich an die Empfehlungen des Auswärtigen Amtes gehalten
Offenbar aus wirtschaftlichem Interesse hat die Bundesregierung ihre schützende Hand über den Sohn des früheren libyschen Diktators Muammar al Gaddafi gehalten. Auf Empfehlung des Auswärtigen Amtes erleichterte Bayern Saif al-Arab Gaddafi im Jahr 2007 die Einreise nach Deutschland. Die zuständige Ausländerbehörde habe die Argumente des Außenministeriums berücksichtigt und von einem Visumverfahren abgesehen, sagte ein Sprecher des bayerischen Innenministeriums in München. Er verwies darauf, dass dies rechtlich zulässig gewesen sei.
In einem Schreiben an das Innenministerium hatte das Auswärtige Amt im Juli 2007 auf "erhebliche außenpolitische und außenwirtschaftliche Interessen der Bundesrepublik in Libyen" hingewiesen. Ein Sprecher des Justizministeriums in München bestätigte einen entsprechenden Bericht der "Süddeutschen Zeitung".
Mit einem italienischen Touristenvisum nach München
Saif war 2006 mit einem italienischen Touristenvisum nach München gekommen und hätte sich neue Aufenthaltspapiere besorgen müssen. Das Auswärtige Amt riet jedoch, "im Rahmen der Ermessensentscheidung der Ausländerbehörde" solle auf die Nachholung des Visumverfahrens verzichtet werden. Der Sprecher des Innenministeriums bestätigte, dass dies dann so umgesetzt worden sei.
Außenamtssprecher Andreas Peschke sagte, er nehme zu internen Schreiben öffentlich nicht Stellung, zumal, wenn es sich um einen so lange zurückliegenden Fall handele. Er könne aber Kontakte zwischen dem bayerischen Innenministerium und dem Auswärtigen Amt bestätigen. Dabei sei es um die Frage gegangen, ob Saif al-Arab Gaddafi diplomatische Immunität genieße, sagte Peschke.
"Die Frage haben wir im Auswärtigen Amt geprüft und den bayerischen Behörden damals zurückgemeldet, dass Saif al-Arab keine diplomatische Immunität genießt". Saif habe zwar einen Diplomatenpass besessen, sei aber auf der libyschen Diplomatenliste nicht angemeldet gewesen.
Auf die grundsätzliche Frage, ob es Praxis des Außenamts sei, sich in bestimmten Fällen an Behörden von Landesregierungen zu wenden und zu intervenieren, sagte Peschke, er könne nur zu einzelnen Fällen Stellung nehmen und werde "keine Verallgemeinerung treffen".
Druck auf München
Saif al-Arab Gaddafi hatte bis Anfang 2011 in München gelebt und zeitweise dort studiert. Er war dabei immer wieder ins Visier von Polizei und Justiz geraten, ohne sich aber jemals vor Gericht verantworten zu müssen. Zwischen 2006 und 2010 hatte die Polizei in insgesamt elf Fällen gegen Saif ermittelt, unter anderem wegen Waffenhandels, einer Prügelei, Fahrens ohne Führerschein und Beleidigung von Polizisten. Im vergangenen Mai hatte die damalige libysche Regierung mitgeteilt, Saif al-Arab Gaddafi sei bei einem NATO-Luftangriff getötet worden.
Deutschland war viele Jahre ein wichtiger Handelspartner Libyens. Libyen war vor dem Umbruch Deutschlands viertwichtigster Erdöllieferant. Die deutschen Investitionen in Libyen flossen schwerpunktmäßig in den Ölsektor. Bei den libyschen Importen stand Deutschland an zweiter Stelle.
Das Nachrichtenmagazin "Spiegel" hatte im Oktober berichtet, sowohl das Auswärtige Amt als auch der Bundesnachrichtendienst (BND) hätten der bayerischen Landesregierung signalisiert, dass allzu intensive Nachforschungen diplomatische Probleme nach sich ziehen könnten. Das Außenamt hatte demnach das Justizministerium in München allein 2010 fünf Mal über die deutsch-libyschen Beziehungen unterrichtet und sich dabei jedes Mal nach den Ermittlungen gegen Gaddafi erkundigt. Die bayerische Behörde sei aufgefordert worden, dem Ministerium Bericht zu erstatten. (dapd)